
Themenpredigt: "Um Gottes Willen"

Es gilt das gesprochene Wort!

"Um Gottes willen." Ob
ihr's glaubt oder nicht - dieses kleine Wörtchen "willen", das nie
allein stehen kann, sondern immer nur zusammen mit dem noch kleineren Wörtchen
"um", hat zunächst einmal noch gar nichts mit dem Willen zu tun,
also hat auch "um Gottes willen" zunächst nichts mit dem Willen
Gottes zu tun.
Erlaubt mir deshalb einen kleinen Ausflug in die Sprachlehre.
"Um
willen" - was ist das eigentlich sprachlich betrachtet? -
Nun, Sprachwissenschaftler sprechen hier von einer "Zirkumposition"
(wörtlich: "Rundumstellung"). Während die Präposition
("Voranstellung") dem Wort vorausgeht (an der Wand, gegen den Strom,
wegen des Regens), folgt die Postposition ("Dahinterstellung") ihm nach
(des Regens wegen, den Fluss entlang). Davon unterscheidet sich noch einmal die
"Zirkumposition"; sie ist ein Verhältniswort, das aus zwei Teilen
besteht, die ein anderes Wort "umschließen", einrahmen. Weitere
Beispiele wären "von
wegen", etwa in der
Wendung "von Amts wegen", oder "auf
hin",
etwa in der Wendung "auf dein Wort hin". Übrigens: Verhältniswörter
(auch zweiteilige) werden natürlich kleingeschrieben.
Was "um
willen" bedeutet, darüber gibt uns der DUDEN Auskunft:
"um
willen: in der Fügung um jemandes, einer Sache willen (jemandem,
einer Sache zuliebe; mit Rücksicht auf jemanden, etwas; im Interesse einer
Person, Sache: er hat es um seines Bruders, seiner selbst, des lieben Friedens
willen getan).
Also könnte man "um
Gottes willen" auch wiedergeben
mit "Gott zuliebe", "mit Rück-sicht auf Gott", "im
Interesse Gottes".
Ja, "um Gottes willen"
Vielen kommt es wie von selbst über
die Lippen. Aber wie kommt das, dass Menschen, die sonst kaum ein Gebet sprechen,
in deren Alltag Gott so gut wie keine Rolle spielt, in bestimmten Situationen das
Wort "Gott" im Munde führen, eben in dieser Wendung "um Gottes
willen"?
Da hört jemand von einem Unfall, ganz in der Nähe, wo er sonst selber
immer lang fährt. Eine Frau ist schwer verletzt. Das hätte auch mir passieren
können. "Um Gottes willen."
"Um Gottes willen". Das ist wie ein Stoßgebet. Es fehlen die Worte,
aber man kann trotzdem etwas sagen. Es platzt aus mir raus, damit ich nicht selber
platze. Egal, ob es jemand hört. Mir tut es gut. Besser noch, wenn jemand
hört und fragt: Was ist denn los?
Dann kann ich sagen, was mich erschüttert. Wir könnten zusammen überlegen,
was zu tun ist.
"Um Gottes willen", das sagen sogar Menschen, die sich vom Glauben verabschiedet
haben. Steckt dahinter eine Ahnung, dass wir in der Not uns an Gott wenden können,
im Sinne des Sprichworts "Not lehrt Beten"?
Nun, manchen ist die Rede von der Telefonnummer Gottes ein Begriff. 5015 lautet
sie. In Psalm 50, Vers 15 sagt Gott: "Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich
preisen." Ja, wir dürfen
und sollen Gott anrufen, wenn es uns schlecht geht, aber wir sollen, nachdem es
uns besser geht, das Preisen - und damit ist gemeint: den Dank - nicht vergessen.
So sagt es auch Martin Luther in seiner Auslegung zum 2. Gebot: Wir sollen Gott
"in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken" (EG 905.1).
Und auch Menschen, die es gewohnt sind zu beten, können ganz neue Erfahrungen
machen, wenn sie den Willen Gottes ausdrücklich mit ins Spiel bringen.
Es geht tatsächlich um Gottes Willen, wenn wir das Vaterunser sprechen. Kaum
eine Stelle der Bibel sagt das so deutlich. Wir rufen Gott auf den Plan, wenn wir
beten "Dein Wille geschehe"
. Gottes Wille möge sich durchsetzen, in
einer Situation, die für uns überhaupt nicht mit Gottes Willen vereinbar
scheint.
Im "Vaterunser" geht es um unser Vertrauen: Gott hat einen Plan mit seiner
Welt. Er will etwas anders als das, was wir da gerade erleben. Gottes Plan stark
zu machen ist wie ein Protest gegen die herrschenden Verhältnisse: sein Wille
geschehe im Himmel und auf Erden!
Martin Luther erklärt im Kleinen Katechismus: "Gottes guter und gnädiger
Wille geschieht auch ohne unsere Gebet. Aber wir bitten in diesem Gebet, dass er
auch bei uns geschehe" (EG 905.3).
Deshalb wollen wir noch einmal grundsätzlicher fragen: Wie ist das eigentlich
mit dem Willen Gottes? Was will Gott?
Wer Christ ist, dem wird der Wille Gottes nicht gleichgültig sein, sondern
wird darauf bedacht sein, Gottes Willen zu erkennen und seinen Willen zu tun.
Dabei merken wir: Wir sind unbeständig und instabil. Wir halten an nichts
fest. Wir sind nie sicher, ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Meistens
sind wir nicht einmal in der Lage, überhaupt eine Entscheidung zu treffen.
Und wir ziehen unsere Entscheidungen nicht durch.
Wenn wir nach Gottes Willen fragen, müssen wir zunächst einmal drei ganz
unterschiedliche Kategorien von Gottes Willen unterscheiden:
1. Gottes souveräner
Wille: Damit ist das gemeint, was Gott verordnet
hat. Alles, was geschieht, geschieht gemäß Gottes souveräner Verordnung
(seinem Ratschluss). Und alles, was er verordnet, wird letztendlich eintreten.
Gottes souveräner Wille kann nicht vereitelt werden. Er ist unveränderlich
und steht absolut fest.
2. Gottes moralischer Wille: Damit ist das gemeint, was Gott befohlen hat -
was er von seinen Geschöpfen möchte, dass sie es tun.
Sowohl Gottes souveränen Wille als auch seinen moralischen Willen können
wir allein in Gottes Wort erkennen. In der Bibel - und ausschließlich in
der Bibel - finden wir klare Auskunft darüber, was Gott will.
3. Die dritte Kategorie, Gottes individuellen
Willen für spezifische
Entscheidungen. Diesen offenbart Gott uns nur ganz selten. Denn auch wenn Gott
allwissend ist und deshalb im Voraus weiß, welche Entscheidungen wir treffen,
ist es doch nicht so, dass es nur einen einzigen Weg gibt, der Gott gefällt.
Nein, solange wir Entscheidungen im Einklang mit Gottes souveränem Willen
und im Rahmen der von Gott in der Bibel gegebenen Ordnungen und Maßstäbe,
seiner Gebote treffen, legt Gott uns nicht auf einen einzigen bestimmten Weg fest.
Stellen wir uns vor, es gäbe nur eine einzige Arbeitsstelle, die Gott gutheißt.
Das würde ja bedeuten, dass wir immer mit dem Skrupel leben müssten,
ob wir denn von den tausenden möglichen Arbeitsplätzen den einzig "richtigen"
auch haben. Und gleiches gilt für unseren Wohnort oder für vieles andere
Wie absurd es wäre, in jeder Kleinigkeit nach Gottes individuellem
Willen zu fragen, wird klar, wenn wir uns vorstellen, wir würden bei jedem
Einkauf erst Gott fragen müssen, ob wir das rote oder das gelbe T-Shirt nehmen
sollen, ob wir Nudeln oder Reis oder Kartoffeln in den Einkaufswagen legen sollen
Was Gottes individuellen Willen betrifft, zeigt sich eben auch, dass wir keine
Marionetten sind, die an Gottes Fäden tanzen. So sehr uns das einerseits davor
bewahren würde, ständig an Gottes souveränem und moralischem Willen
vorbeizuleben, so sehr würde es uns andererseits jede Freiheit nehmen.
Gott will aber, dass wir freiwillig, aus freien Stücken seinen Willen tun
wollen. Und da ist eben der individuelle Wille Gottes gerade unsere große
Freiheit.
Wenn du nach Gottes souveränem Willen gefragt hast und in der Bibel nachgelesen
hast und damit in Einklang mit Gottes moralischem Willen eine Entscheidung getroffen
hast, kommt es also gar nicht mehr darauf an, ob du in Eysölden lebst oder
in Berlin oder in New York, sondern einzig und allein darauf, dass du, egal ob
in Eysölden, Berlin oder New York, bewusst als Christ lebst, dich zu Jesus
bekennst und in deiner Umgebung Salz und Licht bist.
Und ähnlich ist es mit deinem Arbeitsplatz
. Gott schreibt dir nicht vor, welchen
Arbeitsplatz du haben sollst, ob bei der Firma ABC oder XYZ. Aber er will, dass
du an deinem Arbeitsplatz dich nach Gottes Geboten verhältst und nach ihnen
handelst.
Versuche das doch auch auf andere wichtige Themen des Lebens anzuwenden, zum Beispiel
auf die Partnerwahl
Gottes souveränem Willen zu vertrauen ist gut. Seinem moralischen Willen zu
folgen ist Gehorsam. Doch hinter der angeblichen Suche nach dem Willen Gottes für
persönliche Entscheidungen steckt nur zu oft die Suche nach der perfekten
Erfüllung. Wir wollen alles. Und Gott soll uns den Weg dahin zeigen.
Wir sollten uns nicht auf das Außergewöhnliche, sondern auf den Alltag
zu konzentrieren. Gott hat keine weiteren Mittel verheißen, um uns zu führen,
außer den Heiligen Geist, der durch die Bibel zu uns spricht, und wir sollten
auch keine anderen Weisen erwarten. Wir sollen deshalb das Außergewöhnliche
nicht zur Norm machen!
Der Ruf "Um Gottes willen" kann für manche Menschen bedeuten, dass
sie resignieren. Sie denken, es wird schon alles irgendwie laufen, nach Gottes
Willen.
So könnte man den Mann verstehen, der auf dem Bild zum Buß- und Bettag
zu sehen ist. Er versinkt in sich selbst, er verstummt. Er ist in sich hineinverkrümmt:
eine Haltung, von der Martin Luther meinte, das ist wirklich ein Ausdruck von Sünde:
Der in sich hinein verkrümmte Mensch, der mit Gott und dem Nächsten nichts
zu tun haben will. Er dreht sich um sich selbst, um seine Not, um sein Glück,
um seinen Erfolg, um seine Sorgen.
"Um Gottes willen" kann aber auch heißen: Ich komme raus aus der
Selbstumdrehung. Und auch so kann man den jungen Mann auf dem Plakat verstehen:
Er betet, er kommt zu sich.
Kommt aber nicht nur zu sich selbst, sondern er kommt zu Gott, und Gott kommt zu
ihm. Er spürt wie ihm neue Kräfte zuwachsen. Er sieht einen Weg. Er denkt
nach, was Gott von ihm will.
Und was will Gott? Das Vaterunser sagt es deutlich: zum Beispiel, dass alle Menschen
ihr "täglich Brot" haben. Und das meint alles, was man zu einem
menschenwürdigen Leben braucht. Martin Luther zählt es im kleinen Katechismus
auf. "Was heißt denn täglich Brot?: Alles was nottut für Leib
und Leben
"Essen und Trinken, Kleidung und Wohnung, Haus, Hof, Acker,
Vieh, Geld und Gut" Wir würde es heute anders ausdrücken. Doch in
der Sache ist es ganz aktuell. Luther zählt auch nicht einfach nur Dinge auf,
wie ein großes "Wünsch dir was". Er sieht die Beziehungen,
die wir zu einem guten Leben brauchen und zu denen wir immer selbst beitragen:
Ehe und Familie, gute Nachbarn und Freunde, Arbeitskollegen, eine gute Regierung
(
). Und erst: Recht Friede, Gesundheit, Bildung und Ansehen. - Das alles
meinen wir, wenn wir bitten um das "täglich Brot".
Und wir könnten gleich eine weitere Bitte aus dem Vaterunser anschließen:
"Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern".
Denn hier kommt das zweite große Anliegen des Buß- und Bettags in den
Blick. Nach dem Gebet die Buße - die Umkehr.
Wir bekennen Schuld. Wir bitten um Vergebung. Wir werden selbst bereit, anderen
zu vergeben. Wir verabschieden uns von dem, was verkehrt ist. Wir prüfen noch
einmal ganz neu, in welche Richtung unser Leben jetzt gehen soll. So wie es Paulus
an die Römer schreibt: (12,2) "auf
dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille sei."
Man kann das wirklich prüfen an den einzelnen Bitten des Vater unsers: Brot
für alle, Vergebung der Schuld, aber auch dass Gottes Name heilig gehalten
werde. Man kann es aber auch prüfen an den Zehn Geboten.
Und man kann es prüfen an den Dingen, die uns erschüttern. Der Dichter
Arno Pötzsch schreibt: "Nur was uns erschüttert, kann uns
auch bewegen. Was uns bewegt, nur das kann uns verwandeln". Welchen Anteil
haben wir daran, dass das passiert, was passiert? Und was müssen wir anders
machen?
Um Gottes willen sollen keine Unfälle auf unsere Straßen passieren -
tun wir etwas dafür, dass der Verkehr sicherer wird?
Um Gottes willen sollen die Menschenrechte für alle in allen Ländern
gelten. Was tragen wir bei zu einer lebendigen demokratischen Kultur?
Umkehr ist die Lebensbewegung der Kirche. Sich um Gott zu drehen ist die Geste,
an der Christen zu erkennen sind. Kümmern wir uns um Gottes Willen! Und den
finden wir klar und deutlich in der Bibel. Den zu erkennen und umzusetzen, damit
haben wir genug zu tun, ein ganzes Leben lang.
Amen!

Die Kirchengemeinde
Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht eine gesegnete Woche!
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