89. "Leben live"-Gottesdienst, 21. Oktober 2017
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart.
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Themenpredigt: "Mutausbruch"

Es gilt das gesprochene Wort!


Ein dramatisches Erlebnis bringt Luther dazu, Gott ein Versprechen zu geben: "Wenn du mir hilfst, dann werde ich Mönch." Es ist kein einfacher Weg, den er einschlägt. Er ist sich unsicher. Er leidet, hat Zweifel, ob er den richtigen Weg eingeschlagen hat. Er zweifelt an der Liebe Gottes. Er leidet unter der Vorstellung, dass Gott ein zorniger Gott ist. Er hasst sich selbst und er hasst Gott. Obwohl er weiß, dass es Gott gibt, ist da keine Hoffnung und keine Zuversicht. In unserem Leben gibt es viele erfreuliche Erfahrungen. Es gibt aber auch die dunklen Seiten - das Leid, den Schmerz, die Fragen, die wir stellen und auf die wir keine Antworten bekommen. Wir wollen drei Personen fragen, wie sie in ihrem Leben damit umgehen. Ob sie das, was Luther erlebt, aus eigener Erfahrung kennen.

Der Film nimmt uns weiter mit hinein in das Leben von Martin Luther. Ein eindringliches Erlebnis hat er bei einer Pilgerreise nach Rom. Hier bekommt er große Zweifel an den Praktiken der Kirche: Mönche, die sich mit Prostituierten einlassen; Händler, die in ihren Bauchläden Heilige für alle Lebenslagen anbieten; Ablassbriefe, die für Verstorbene verkauft werden. Die Kirche betreibt ein gutes Geschäft, das auf Angst beruht. Angst vor dem Teufel und Angst vor den Höllenqualen. Verstärkt wird dies alles durch das Auftreten des Ablasspredigers Tetzel. Er wurde beauftragt, so viel Geld wie möglich für den Bau des Petersdoms in Rom aufzutreiben. Er sorgt dafür, dass das Geld kräftig im Kasten klingelt, damit die Seele aus dem Fegefeuer springt. In Luther wächst die Gewissheit, dass das Heil nicht in der Kirche zu finden ist, sondern allein in Jesus Christus. Dass nicht Angst vor Gott und Teufel im Vordergrund steht, sondern dass es darauf ankommt, auf Gottes Liebe zu vertrauen. Als Reaktion auf Tetzels Auftreten schlägt Luther einen Zettel gegen den Ablass an die Kirchentür. Es sind die "95 Thesen".


Luther hat erkannt, welche Missstände es in der Kirche gibt. Er will die Kirche nicht abschaffen, aber verändern. Er hängt seine Thesen an die Kirchentür. Das Hämmern durchdringt die Kirche wie ein Weckruf.

Die Schriften Luthers verbreiten sich in Windeseile. Zunehmend wird er für die Kirche zum Stein des Anstoßes. Luthers Erfolg führt zu einer Gegenreaktion. Sein Leben wird bedroht, seine Schriften werden auf Befehl des Papstes verbrannt. Er soll gezwungen werden zu widerrufen, was er gegen die Kirche und den Papst gesagt und geschrieben hat. Dies soll er beim Reichstag in Worms tun. Hier sind der Kaiser und die Kurfürsten Deutschlands sowie Vertreter des Papstes versammelt. Bei seinem ersten Auftritt ist er zunächst noch unsicher, er bittet um einen Tag Bedenkzeit. Er weiß genau, was von seiner Antwort abhängt - Tod oder Leben.

[ Filmausschnitt aus "Luther" von 2003
1:08:15 - 1:16:08 ]

"Ich kann nicht und ich werde nicht widerrufen. Hier stehe ich und kann nicht anders. Gott helfe mir." Diese Sätze kommen Luther nicht leicht von den Lippen. Er hat darum gekämpft. Er ist sich aber gewiss, dass er das, was ihn bewegt und woran er glaubt, nicht widerrufen kann. Obwohl er weiß, dass dies schlimme Konsequenzen für ihn haben wird. Er betet: "Ich bin dein, erlöse mich." Er vertraut sich Gott an, er weiß, dass Gott ihn begleiten wird. Luther steht für das ein, wovon er überzeugt ist. Es ist faszinierend, dass ersieh nicht umstimmen lässt.

In unserem Alltag zeigt es sich, dass es nicht einfach ist, zu dem zu stehen, was wir glauben und wovon wir überzeugt sind. Wenn alle der gleichen Meinung sind, fällt es uns leicht. Aber wenn wir Gegenwind bekommen, wenn andere uns dafür auslachen, dann wird es schon schwieriger.

Der Film über Luther zeigt uns einen Menschen, der in seinem Leben viel bewirkt hat. Es war für Luther aber kein leichter Weg. Immer wieder wird er uns mit seinem Zweifel, seiner Angst, seiner Unsicherheit vor Augen geführt. Luther kämpft immer wieder - mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit Gott. Aus diesen Fragen und Zweifeln heraus wächst aber die Zuversicht und die Gewissheit, dass Gott ein barmherziger, ein liebender Gott ist, dem er sich wie ein Kind anvertrauen kann. Dies gibt ihm die Kraft, seinen Weg zu gehen, an seinem Glauben und seinen Überzeugungen festzuhalten. Fragen, Angst, Zweifel, Liebe, Glaube und Zuversicht - all das gehört zu unserem Leben dazu. Die Gewissheit, dass alles in Gottes Hand liegt, hat Luther Kraft gegeben und macht auch uns heute Mut, eigene Schritte und Wege mit Gott zu gehen.


"Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen!" Es war der 18. April In Worms tagt der Reichstag. Mit dabei: Kaiser Karl V. Vor ihm und den Kurfürsten sowie anderen Autoritäten steht Martin Luther - in der Mönchskutte. Er soll das widerrufen, was er in seinen Schriften als seine Lehre dargelegt hat. Anderenfalls drohen ihm ernste Konsequenzen. Zwar hat er freies Geleit zugesichert bekommen, aber es ist klar: Nach dem Reichstag wäre sein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Ein zeitgenössischer Bericht hat das Schlusswort von Luthers Rede festgehalten. Ich lese vor: "Wenn ich nicht durch Aussagen der Heiligen Schrift oder vernünftige Einsichten widerlegt werde, dann betrachte ich mich an die Heilige Schrift gebunden, auf die ich mich eingelassen habe. Mein Gewissen ist im Wort Gottes gefangen. Deshalb kann und will ich nichts widerrufen. Denn es ist unzuverlässig und unredlich, gegen das Gewissen zu handeln. Ich kann nicht anders. Hier stehe ich. Gott helfe mir. Amen."

Anscheinend gibt es Situationen im Leben, da sind wir gefragt. Da geht es darum, Stellung zu beziehen. Da geht es darum, zu dem zu stehen, was uns an Jesus Christus klar geworden ist. Auch wenn das Nachteile mit sich bringen könnte. Das ist eine Erfahrung, die ist uns lange Zeit eher fremd gewesen. Es kostete uns nicht allzu viel, zur Kirche zu gehören. Schwierigkeiten gab es dadurch keine. Es gehörten ja mehr oder weniger alle irgendwie mit dazu.

Luther war von der Bibel her klar geworden, dass in der damaligen Ausdrucksweise Heil und Seligkeit allein von Christus geschenkt werden. Sie können nicht durch fromme Leistungen wie Ablass, Wallfahrten, Messfeiern und Heiligenverehrung verdient werden. Das war unerhört.

Der Papst beschuldigt ihn der Ketzerei, der Irrlehre und verhängt über ihn den Kirchenbann. Gebannte durften nicht mehr am Gottesdienst teilnehmen und wurden nicht kirchlich beerdigt. Man durfte mit ihnen nicht sprechen, sie nicht einladen, nicht von ihnen kaufen und ihnen nichts verkaufen. Konnte man sie festnehmen, so erwartete sie der Tod durch Verbrennen.

Selbst Johann von Staupitz hatte sich von Luthers Sache losgesagt. Das muss eine große Enttäuschung für Luther gewesen sein. Staupitz war sein Beichtvater gewesen, ein Mann mit einer tiefen Christusfrömmigkeit. Luther hatte ihm viel zu verdanken. Doch selbst dieser Mann findet kein Ja zu Luthers Weg.

Aber Luther geht seinen Weg. Er bleibt seiner Überzeugung treu nicht weil er unbelehrbar wäre, sondern weil er sein Gewissen gebunden weiß an das, was in der Bibel steht. Er sagt: Ich betrachte mich an die Heilige Schrift gebunden, auf die ich mich eingelassen habe. Mein Gewissen ist im Wort Gottes gefangen. In diesen wenigen Worten steckt ganz viel drin.

Auf drei Aspekte will ich kurz aufmerksam machen. Erstens: Für das Denken Luthers ist die Bibel von entscheidender Bedeutung. Zweitens: Dahinter steckt eine bewusste Entscheidung. Und drittens: Luther betont die Wichtigkeit des Gewissens.

Erstens: Für das Denken Luthers ist die Bibel von entscheidender Bedeutung. Sie ist Gottes Wort, das er spricht und durch das er wirkt. Luther sieht die Bibel als die entscheidende Grundlage unseres Glaubens an. Hier findet er schließlich nach langem Bibelstudium den gnädigen Gott. Hier erfährt er, dass Gott uns bedingungslos annimmt. Und dass es falsch ist, wenn Menschen Bedingungen aufstellen und wenn sie damit dann auch noch Geschäfte machen und ihre Machtgelüste befriedigen. Dieser Bezug auf die Bibel, diese Orientierung an der Bibel gehört zum Fundament unserer evangelischen Kirche. Das macht uns aus. Da kommen wir her. Und genau da müssen wir auch wieder hin.

Die Bibel, die mit Goldschnitt ungelesen im Bücherregal steht, redet nicht zu uns. Die Traubibel, die irgendwo in einer Schublade verstaut ist, bleibt stumm. Die Predigten, die nicht wirklich einen biblischen Text auslegen, sondern nur von irgendwelchen netten Geschichtchen ausgehen oder lediglich die Meinung des Predigers wiedergeben, bewegen wenig. Kirche der Reformation sein bedeutet immer: die Bibel in den Mittelpunkt stellen, sich mit ihr auseinandersetzen, sie befragen.

Zweitens: Dahinter steckt eine bewusste Entscheidung. Luther sagt auf dem Reichstag: Ich betrachte mich an die Heilige Schrift gebunden, auf die ich mich eingelassen habe. Anscheinend ist das nichts Selbstverständliches: sich auf die Heilige Schrift einzulassen. Man sollte ja meinen, für einen Mönch wäre das etwas Selbstverständliches gewesen. Aber das stimmte nur bedingt. Es gab ja nicht nur die Bibel. Es gab auch die Lehre der Kirche, die Gültigkeit beanspruchte. Es gab das, was der Papst sagte. Es gab das, was die Konzilien beschlossen hatten. Das alles zur Seite zu räumen und sich auf die Bibel einzulassen, das war anscheinend für Luther die Sache einer Entscheidung gewesen. Er hatte sich auf die Bibel eingelassen.

Ich möchte es mit einer Beziehung zwischen zwei Menschen vergleichen. Wenn ich mich auf eine solche Beziehung einlasse, dann ist dem eine Entscheidung vorausgegangen. Ich habe mich dazu entschieden, dass diese Beziehung mir wichtig sein soll. Ich will sie mit Leben füllen. In dieser Beziehung will ich sagen können, was mich bewegt und beschäftigt. Und zugleich will ich auf das Gegenüber hören. Ich will ernst nehmen, was mein Gegenüber mir zu sagen hat. Ich will mich damit auseinandersetzen. Beim Glauben, bei der Sache mit Gott geht es oft um genau diese Entscheidung: Will ich mich auf Gott einlassen, auf das, was er mir durch das biblische Wort sagen möchte? Das heißt nicht, dass ich zu allem Ja und Amen sage, was ich da lese. Aber es heißt, dass ich es an mich heranlasse, dass ich mich darauf einlasse.

Drittens: Luther betont die Wichtigkeit des Gewissens. Nicht, was andere sagen, soll für ihn entscheidend sein. Nicht was Autoritäten von ihm verlangen ist für ihn das Entscheidende, auch nicht was die Kirche sagt, sondern was sein Gewissen sagt. Dabei ist das Gewissen für ihn nicht irgendetwas Neutrales. Also etwas, das bei jedem Menschen ein- und dasselbe sagt. Es kommt darauf an, wovon das Gewissen geprägt ist. Ich sage es mal ein bisschen platt: Das Gewissen eines Donald Trump sagt möglicherweise etwas ganz anderes als das Gewissen einer Mutter Teresa. Luther sieht sein Gewissen im Wort Gottes gefangen. Gefangen ist hier aber nicht negativ gemeint, sondern eher im Sinne von verankert. Sein Gewissen orientiert sich an dem, was Gottes Wort sagt. Es ist davon geprägt.

Was bedeutet das, wenn das Gewissen einen solch hohen Stellenwert bekommt, wenn dieser Mann in der Mönchskutte vor dem Kaiser steht und sich auf sein Gewissen beruft? Was bedeutet es für mich, wenn ich auf die Stimme meines Gewissens höre? Ich sage es einmal mit meinen Worten: Ich sage ich. Ich lasse mir nicht von anderen vorschreiben, was ich zu denken und zu glauben und wie ich zu leben habe. Das wiederum heißt: Ich übernehme Verantwortung für mich selbst. Ich verstecke mich nicht hinter anderen. Ich gehe meinen Weg. Dabei beziehe ich, wenn nötig, auch Stellung und bringe mich ein.

Das alles können wir von Martin Luther lernen. Genau dazu kann uns sein Beispiel ermutigen. Und wenn wir genau hinschauen, dann ist es nicht Martin Luther, sondern es ist Gott selbst, der uns zu einem solchen Weg herausfordert und ermutigt! Das ist eine zutiefst evangelische Erkenntnis.

Eines muss noch gesagt werden: Um einen solchen Weg zu gehen, brauchen wir Gottes Hilfe. Als die Apostel damals in Jerusalem den jüdischen Autoritäten widerstanden, kam man hinterher in der christlichen Gemeinde zusammen. Und da wurde für die Apostel gebetet: "Gib deinen Knechten, mit allem Freimut zu reden dein Wort."

Und Martin Luther soll sein Schlusswort beendet haben mit den Worten: Gott helfe mir. Amen! Ich beziehe das abschließend auch auf uns: Immer wenn wir herausgefordert sind, Stellung zu beziehen, wenn wir von unserem Glauben her vielleicht gegen den Strom schwimmen, dann brauchen wir dafür Gottes Hilfe.

Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Das reicht nicht. Jedenfalls nicht mir. Ich brauche auch das Andere: Gott helfe mir.
Amen!

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht eine gesegnete Woche!