Ein dramatisches Erlebnis bringt
Luther dazu, Gott ein Versprechen zu geben: "Wenn du mir hilfst, dann werde
ich Mönch." Es ist kein einfacher Weg, den er einschlägt. Er ist
sich unsicher. Er leidet, hat Zweifel, ob er den richtigen Weg eingeschlagen hat.
Er zweifelt an der Liebe Gottes. Er leidet unter der Vorstellung, dass Gott ein
zorniger Gott ist. Er hasst sich selbst und er hasst Gott. Obwohl er weiß,
dass es Gott gibt, ist da keine Hoffnung und keine Zuversicht. In unserem Leben
gibt es viele erfreuliche Erfahrungen. Es gibt aber auch die dunklen Seiten - das
Leid, den Schmerz, die Fragen, die wir stellen und auf die wir keine Antworten
bekommen. Wir wollen drei Personen fragen, wie sie in ihrem Leben damit umgehen.
Ob sie das, was Luther erlebt, aus eigener Erfahrung kennen.
Der Film nimmt uns weiter mit hinein in das Leben
von Martin Luther. Ein eindringliches Erlebnis hat er bei einer Pilgerreise nach
Rom. Hier bekommt er große Zweifel an den Praktiken der Kirche: Mönche,
die sich mit Prostituierten einlassen; Händler, die in ihren Bauchläden
Heilige für alle Lebenslagen anbieten; Ablassbriefe, die für Verstorbene
verkauft werden. Die Kirche betreibt ein gutes Geschäft, das auf Angst beruht.
Angst vor dem Teufel und Angst vor den Höllenqualen. Verstärkt wird dies
alles durch das Auftreten des Ablasspredigers Tetzel. Er wurde beauftragt, so viel
Geld wie möglich für den Bau des Petersdoms in Rom aufzutreiben. Er sorgt
dafür, dass das Geld kräftig im Kasten klingelt, damit die Seele aus
dem Fegefeuer springt. In Luther wächst die Gewissheit, dass das Heil nicht
in der Kirche zu finden ist, sondern allein in Jesus Christus. Dass nicht Angst
vor Gott und Teufel im Vordergrund steht, sondern dass es darauf ankommt, auf Gottes
Liebe zu vertrauen. Als Reaktion auf Tetzels Auftreten schlägt Luther einen
Zettel gegen den Ablass an die Kirchentür. Es sind die "95 Thesen".
Luther hat erkannt, welche Missstände es in
der Kirche gibt. Er will die Kirche nicht abschaffen, aber verändern. Er hängt
seine Thesen an die Kirchentür. Das Hämmern durchdringt die Kirche wie
ein Weckruf.
Die Schriften Luthers verbreiten sich in Windeseile.
Zunehmend wird er für die Kirche zum Stein des Anstoßes. Luthers Erfolg
führt zu einer Gegenreaktion. Sein Leben wird bedroht, seine Schriften werden
auf Befehl des Papstes verbrannt. Er soll gezwungen werden zu widerrufen, was er
gegen die Kirche und den Papst gesagt und geschrieben hat. Dies soll er beim Reichstag
in Worms tun. Hier sind der Kaiser und die Kurfürsten Deutschlands sowie Vertreter
des Papstes versammelt. Bei seinem ersten Auftritt ist er zunächst noch unsicher,
er bittet um einen Tag Bedenkzeit. Er weiß genau, was von seiner Antwort
abhängt - Tod oder Leben.
[ Filmausschnitt aus "Luther"
von 2003
1:08:15 - 1:16:08 ]
"Ich kann nicht und ich werde
nicht widerrufen. Hier stehe ich und kann nicht anders. Gott helfe mir." Diese
Sätze kommen Luther nicht leicht von den Lippen. Er hat darum gekämpft.
Er ist sich aber gewiss, dass er das, was ihn bewegt und woran er glaubt, nicht
widerrufen kann. Obwohl er weiß, dass dies schlimme Konsequenzen für
ihn haben wird. Er betet: "Ich bin dein, erlöse mich." Er vertraut
sich Gott an, er weiß, dass Gott ihn begleiten wird. Luther steht für
das ein, wovon er überzeugt ist. Es ist faszinierend, dass ersieh nicht umstimmen
lässt.
In unserem Alltag zeigt es sich, dass es nicht
einfach ist, zu dem zu stehen, was wir glauben und wovon wir überzeugt sind.
Wenn alle der gleichen Meinung sind, fällt es uns leicht. Aber wenn wir Gegenwind
bekommen, wenn andere uns dafür auslachen, dann wird es schon schwieriger.
Der Film über Luther zeigt uns einen Menschen,
der in seinem Leben viel bewirkt hat. Es war für Luther aber kein leichter
Weg. Immer wieder wird er uns mit seinem Zweifel, seiner Angst, seiner Unsicherheit
vor Augen geführt. Luther kämpft immer wieder - mit sich selbst, mit
anderen Menschen und mit Gott. Aus diesen Fragen und Zweifeln heraus wächst
aber die Zuversicht und die Gewissheit, dass Gott ein barmherziger, ein liebender
Gott ist, dem er sich wie ein Kind anvertrauen kann. Dies gibt ihm die Kraft, seinen
Weg zu gehen, an seinem Glauben und seinen Überzeugungen festzuhalten. Fragen,
Angst, Zweifel, Liebe, Glaube und Zuversicht - all das gehört zu unserem Leben
dazu. Die Gewissheit, dass alles in Gottes Hand liegt, hat Luther Kraft gegeben
und macht auch uns heute Mut, eigene Schritte und Wege mit Gott zu gehen.
"Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott
helfe mir. Amen!" Es war der 18. April In Worms tagt der Reichstag. Mit dabei:
Kaiser Karl V. Vor ihm und den Kurfürsten sowie anderen Autoritäten steht
Martin Luther - in der Mönchskutte. Er soll das widerrufen, was er in seinen
Schriften als seine Lehre dargelegt hat. Anderenfalls drohen ihm ernste Konsequenzen.
Zwar hat er freies Geleit zugesichert bekommen, aber es ist klar: Nach dem Reichstag
wäre sein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Ein zeitgenössischer Bericht
hat das Schlusswort von Luthers Rede festgehalten. Ich lese vor: "Wenn ich
nicht durch Aussagen der Heiligen Schrift oder vernünftige Einsichten widerlegt
werde, dann betrachte ich mich an die Heilige Schrift gebunden, auf die ich mich
eingelassen habe. Mein Gewissen ist im Wort Gottes gefangen. Deshalb kann und will
ich nichts widerrufen. Denn es ist unzuverlässig und unredlich, gegen das
Gewissen zu handeln. Ich kann nicht anders. Hier stehe ich. Gott helfe mir. Amen."
Anscheinend gibt es Situationen im Leben, da sind
wir gefragt. Da geht es darum, Stellung zu beziehen. Da geht es darum, zu dem zu
stehen, was uns an Jesus Christus klar geworden ist. Auch wenn das Nachteile mit
sich bringen könnte. Das ist eine Erfahrung, die ist uns lange Zeit eher fremd
gewesen. Es kostete uns nicht allzu viel, zur Kirche zu gehören. Schwierigkeiten
gab es dadurch keine. Es gehörten ja mehr oder weniger alle irgendwie mit
dazu.
Luther war von der Bibel her klar geworden, dass
in der damaligen Ausdrucksweise Heil und Seligkeit allein von Christus geschenkt
werden. Sie können nicht durch fromme Leistungen wie Ablass, Wallfahrten,
Messfeiern und Heiligenverehrung verdient werden. Das war unerhört.
Der Papst beschuldigt ihn der Ketzerei, der Irrlehre
und verhängt über ihn den Kirchenbann. Gebannte durften nicht mehr am
Gottesdienst teilnehmen und wurden nicht kirchlich beerdigt. Man durfte mit ihnen
nicht sprechen, sie nicht einladen, nicht von ihnen kaufen und ihnen nichts verkaufen.
Konnte man sie festnehmen, so erwartete sie der Tod durch Verbrennen.
Selbst Johann von Staupitz hatte sich von Luthers
Sache losgesagt. Das muss eine große Enttäuschung für Luther gewesen
sein. Staupitz war sein Beichtvater gewesen, ein Mann mit einer tiefen Christusfrömmigkeit.
Luther hatte ihm viel zu verdanken. Doch selbst dieser Mann findet kein Ja zu Luthers
Weg.
Aber Luther geht seinen Weg. Er bleibt seiner Überzeugung
treu nicht weil er unbelehrbar wäre, sondern weil er sein Gewissen gebunden
weiß an das, was in der Bibel steht. Er sagt: Ich betrachte mich an die Heilige
Schrift gebunden, auf die ich mich eingelassen habe. Mein Gewissen ist im Wort
Gottes gefangen. In diesen wenigen Worten steckt ganz viel drin.
Auf drei
Aspekte will ich kurz aufmerksam
machen. Erstens: Für das Denken Luthers ist die Bibel von entscheidender Bedeutung.
Zweitens: Dahinter steckt eine bewusste Entscheidung. Und drittens: Luther betont
die Wichtigkeit des Gewissens.
Erstens: Für das Denken Luthers ist die Bibel von entscheidender Bedeutung.
Sie ist Gottes Wort, das er spricht und durch das er wirkt. Luther sieht die Bibel
als die entscheidende Grundlage unseres Glaubens an. Hier findet er schließlich
nach langem Bibelstudium den gnädigen Gott. Hier erfährt er, dass Gott
uns bedingungslos annimmt. Und dass es falsch ist, wenn Menschen Bedingungen aufstellen
und wenn sie damit dann auch noch Geschäfte machen und ihre Machtgelüste
befriedigen. Dieser Bezug auf die Bibel, diese Orientierung an der Bibel gehört
zum Fundament unserer evangelischen Kirche. Das macht uns aus. Da kommen wir her.
Und genau da müssen wir auch wieder hin.
Die Bibel, die mit Goldschnitt ungelesen im Bücherregal
steht, redet nicht zu uns. Die Traubibel, die irgendwo in einer Schublade verstaut
ist, bleibt stumm. Die Predigten, die nicht wirklich einen biblischen Text auslegen,
sondern nur von irgendwelchen netten Geschichtchen ausgehen oder lediglich die
Meinung des Predigers wiedergeben, bewegen wenig. Kirche der Reformation sein bedeutet
immer: die Bibel in den Mittelpunkt stellen, sich mit ihr auseinandersetzen, sie
befragen.
Zweitens: Dahinter steckt eine bewusste Entscheidung. Luther sagt auf dem Reichstag:
Ich betrachte mich an die Heilige Schrift gebunden, auf die ich mich eingelassen
habe. Anscheinend ist das nichts Selbstverständliches: sich auf die Heilige
Schrift einzulassen. Man sollte ja meinen, für einen Mönch wäre
das etwas Selbstverständliches gewesen. Aber das stimmte nur bedingt. Es gab
ja nicht nur die Bibel. Es gab auch die Lehre der Kirche, die Gültigkeit beanspruchte.
Es gab das, was der Papst sagte. Es gab das, was die Konzilien beschlossen hatten.
Das alles zur Seite zu räumen und sich auf die Bibel einzulassen, das war
anscheinend für Luther die Sache einer Entscheidung gewesen. Er hatte sich
auf die Bibel eingelassen.
Ich möchte es mit einer Beziehung zwischen
zwei Menschen vergleichen. Wenn ich mich auf eine solche Beziehung einlasse, dann
ist dem eine Entscheidung vorausgegangen. Ich habe mich dazu entschieden, dass
diese Beziehung mir wichtig sein soll. Ich will sie mit Leben füllen. In dieser
Beziehung will ich sagen können, was mich bewegt und beschäftigt. Und
zugleich will ich auf das Gegenüber hören. Ich will ernst nehmen, was
mein Gegenüber mir zu sagen hat. Ich will mich damit auseinandersetzen. Beim
Glauben, bei der Sache mit Gott geht es oft um genau diese Entscheidung: Will ich
mich auf Gott einlassen, auf das, was er mir durch das biblische Wort sagen möchte?
Das heißt nicht, dass ich zu allem Ja und Amen sage, was ich da lese. Aber
es heißt, dass ich es an mich heranlasse, dass ich mich darauf einlasse.
Drittens: Luther betont die Wichtigkeit des Gewissens. Nicht, was andere sagen,
soll für ihn entscheidend sein. Nicht was Autoritäten von ihm verlangen
ist für ihn das Entscheidende, auch nicht was die Kirche sagt, sondern was
sein Gewissen sagt. Dabei ist das Gewissen für ihn nicht irgendetwas Neutrales.
Also etwas, das bei jedem Menschen ein- und dasselbe sagt. Es kommt darauf an,
wovon das Gewissen geprägt ist. Ich sage es mal ein bisschen platt: Das Gewissen
eines Donald Trump sagt möglicherweise etwas ganz anderes als das Gewissen
einer Mutter Teresa. Luther sieht sein Gewissen im Wort Gottes gefangen. Gefangen
ist hier aber nicht negativ gemeint, sondern eher im Sinne von verankert. Sein
Gewissen orientiert sich an dem, was Gottes Wort sagt. Es ist davon geprägt.
Was bedeutet das, wenn das Gewissen einen solch
hohen Stellenwert bekommt, wenn dieser Mann in der Mönchskutte vor dem Kaiser
steht und sich auf sein Gewissen beruft? Was bedeutet es für mich, wenn ich
auf die Stimme meines Gewissens höre? Ich sage es einmal mit meinen Worten:
Ich sage ich. Ich lasse mir nicht von anderen vorschreiben, was ich zu denken und
zu glauben und wie ich zu leben habe. Das wiederum heißt: Ich übernehme
Verantwortung für mich selbst. Ich verstecke mich nicht hinter anderen. Ich
gehe meinen Weg. Dabei beziehe ich, wenn nötig, auch Stellung und bringe mich
ein.
Das alles können wir von Martin Luther lernen.
Genau dazu kann uns sein Beispiel ermutigen. Und wenn wir genau hinschauen, dann
ist es nicht Martin Luther, sondern es ist Gott selbst, der uns zu einem solchen
Weg herausfordert und ermutigt! Das ist eine zutiefst evangelische Erkenntnis.
Eines muss noch gesagt werden: Um einen solchen
Weg zu gehen, brauchen wir Gottes Hilfe. Als die Apostel damals in Jerusalem den
jüdischen Autoritäten widerstanden, kam man hinterher in der christlichen
Gemeinde zusammen. Und da wurde für die Apostel gebetet: "Gib deinen
Knechten, mit allem Freimut zu reden dein Wort."
Und Martin Luther soll sein Schlusswort beendet
haben mit den Worten: Gott helfe mir. Amen! Ich beziehe das abschließend
auch auf uns: Immer wenn wir herausgefordert sind, Stellung zu beziehen, wenn wir
von unserem Glauben her vielleicht gegen den Strom schwimmen, dann brauchen wir
dafür Gottes Hilfe.
Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Das reicht
nicht. Jedenfalls nicht mir. Ich brauche auch das Andere: Gott helfe mir.
Amen!