
Themenpredigt: "Dem lieben Gott ins Fenster schauen"

Es gilt das gesprochene Wort!

Ist es nicht immer wieder zum Staunen, diese Verwandlung
einer Puppe in einen Schmetterling? Ein Monarchfalter bricht aus seiner Puppe heraus.
Aus einem winzigen hellgrünen Ei war die Raupe geschlüpft, die eine gelb-grün-schwarze
Streifenzeichnung trägt. Nach drei bis vier Häutungen war daraus eine Puppe
geworden. Der Schmetterling, der aus der Puppe herausbricht, hat nun eine ganz andere
Farbgebung und Zeichnung als das Ei, als die Raupe oder die Puppe. Diese mehrfache
Verwandlung von Ei zur Raupe zur Puppe zum Schmetterling ist ein Wunder eines wunderbaren
Schöpfers, der wie ein Dirigent ein Orchester, die einzeln Schritte veranlasst
und lenkt.
Ein paar Mal durften wir heute schon "dem lieben
Gott ins Fenster schauen".
Übrigens: Ich mag dieses Reden vom "lieben
Gott", ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Es ist auch nicht biblisch. Nirgends
in der Bibel wird Gott als "lieber Gott" bezeichnet oder angeredet. Wohl
wird Gott als "die Liebe" in Person vorgestellt (1. Johannes 4,8.16), aber
da geht es um etwas anderes, nämlich darum, dass Gott das Maß aller Dinge
ist, auch das Maß dessen, was Liebe ist; alles, was wir Liebe nennen, muss sich
am Maßstab Gottes messen lassen. Deshalb, um jede Verwechslung auszuschließen,
verwendet das Neue Testament ein Wort, das es im weltlichen Griechisch so gut wie überhaupt
nicht gab: agápe. Gewiss, Gott ist auch ein "liebender Gott": "Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen
Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige
Leben haben" (Johannes 3,16).
Aber er ist kein "lieber Gott"! "Lieber Gott", das klingt so harmlos,
verniedlichend, als ob wir Gott zu uns herunterziehen könnten, als ob wir ihn
"in der Hand" hätten. Nicht wir sind es, die wir uns ein Bild von Gott
zusammenbasteln können. Aber das nur nebenbei
Wenn wir Gott "ins Fenster schauen", dann
sehen wir nicht ihn selbst, sondern immer nur das, was er selber uns zeigt. In der
Bibel gibt es dafür ein eigenes Wort: Gott offenbart sich. Das heißt
er zeigt sein Wesen, seinen Charakter, seine Art, seinen Willen, seine Pläne
Sein Gesicht freilich zeigt er nicht. Denn "niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene [Jesus!], der Gott ist (!)
und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt" (Johannes 1,18). Und so ist auch dieses Wort am Ende des
berühmten Hohenliedes der Liebe gemeint: "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht
zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie
ich erkannt bin" (1. Korinther
13,12).
Gottes Handeln und Wirken ist unendlich vielfältig.
Gott führt und leitet. Gott rettet. Gott segnet. Gott erschafft auch aus dem Nichts
(Hebräer 11,3), er "ruft
das, was nicht ist, dass es sei" (Römer
4,17). Darauf soll der Schwerpunkt unseres heutigen "Leben live"-Gottesdienstes
liegen: Wie sich uns Gott als der Schöpfer und Erhalter zeigt. Er hat das ganze
Universum geschaffen mit allen Galaxien, mit Sternen und Planeten. Er hat auch die
unsichtbare Welt geschaffen, was wir allzu leicht vergessen. Heute ist ja der 29. September,
der Michaelistag, der Tag des Erzengels Michael und aller Engel. Engel gehören
zu Gottes unsichtbarer Welt, wenngleich Gott auch Menschen als Engel, als seine Boten,
gebrauchen kann.
Gott, dem Schöpfer, "ins Fenster schauen".
Blick Nr. 1 - Wir haben am Anfang das Schmetterlingsalphabet von Kjell B. Sandved (geb.
1922) betrachtet. Von den 20.000 verschiedenen Schmetterlingsarten, die es weltweit
gibt, haben wir jene 35 Arten bewundert, auf deren Flügeln sich deutlich die Buchstaben
A bis Z und die Ziffern 1 bis 9 erkennen lassen. Die Vielfalt der Schmetterlinge mit
ihren wunderbaren Farben und Formen zeugen von einem überaus kreativen und fantasievollen
Designer mit einem Sinn für Schönheit und Harmonie. Lernen wir doch immer
wieder neu das Staunen über diesen Schöpfer, der nach seinem Plan alles so
wunderbar gemacht hat. "Herr,
wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die
Erde ist voll deiner Güter"
(Psalm 104,24).
Gott, dem Schöpfer, "ins Fenster schauen".
Blick Nr. 2 - Weitere Worte aus dem wunderbaren Schöpfungspsalm 104. "Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich, der Herr
freue sich seiner Werke! Ich will dem Herrn singen mein Leben lang und meinen Gott
loben, solange ich bin" (Psalm
104, 31.33). Eines der klarsten Fenster, durch die wir Gott ins Fenster schauen können,
ist die Heilige Schrift, die Bibel. Nicht zufällig haben die Kirchenlehrer - vor
allem seit der Reformationszeit - immer wieder von der Klarheit der Heiligen Schrift
gesprochen, vor allem in den Dingen, die zum Heil zu wissen notwendig sind. In der
Heiligen Schrift begegnet uns eben kein dunkler Spiegel, sondern ein glasklares Fenster,
in dem sich uns Gott zeigt. Wie Gott sich uns in seinem Wort zeigt, so ist er, darauf
können wir uns verlassen.
Gott, dem Schöpfer, "ins Fenster schauen".
Blick Nr. 3 - Die Geschichte "Es gibt so viel Schönes": Der Bär
dachte nach: Warum jammern die Tiere nur immer über das Leben? Dem einen sind
die Tage zu kurz, der nächste klagt über das Wetter, einem anderen wieder
reicht der Lohnstreifen nicht. Und er fand für jedes Tier, das er anschließend
besuchte, etwas ganz Bemerkenswertes, das es von den anderen Tieren unterscheidet.
Dieses Jammern, das ist ja auch uns Menschen nicht unbekannt. Entdecken wir doch wieder
neu, wie wunderbar uns Gott geschaffen hat. So jedenfalls bekennt es der große
König David: "Ich danke
dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt
meine Seele" (Psalm 139,14).
Wenn wir neu dankbar werden für unser Leben, ja selbst für unser Äußeres
(!), für die Fähigkeiten, Gaben, Talente und auch Grenzen, mit denen Gott
uns ganz individuell und jede und jeden von uns einzigartig ausgestattet hat, dann
schauen wir ihm ins Fenster.
Gott, dem Schöpfer, "ins Fenster schauen".
Blick Nr. 4 - Die eigentlich unerwünschte Tochter, mit der zu diesem Zeitpunkt
das Ehepaar nicht mehr gerechnet hat, weil die Zeit zum Kinderkriegen doch vermeintlich
vorbei war. Doch dann in einem Lichtblick, den ihre Mutter in ihrer Demenzerkrankung
hatte, auf einmal diese ganz anderen, wunderbaren, geradezu heilsamen Worte: "Das
wollte ich dir schon immer einmal sagen: Als du auf die Welt gekommen bist, war ich
schon zu alt, zu alt für ein weiteres Kind. Aber ich kann dir gar nicht sagen,
wie froh und dankbar ich bin, dass ich dich habe und du meine Tochter bist. Das sage
ich dir, damit du das immer weißt." Diese Worte haben Versöhnung ermöglicht.
Und sie waren so viel wichtiger als die kränkenden Worte, durch die sie vorher
die Ablehnung durch ihre Mutter gespürt hat. In dem Buch von Arno Geiger über
seinen demenzkranken Vater, "Der alte König in seinem Exil", in dem
die verwirrende Krankheit als Exil bezeichnet wird, findet sich die schöne Formulierung,
dass es ihm in den wenigen Lichtblicken seines dementen Vaters vorkomme, "als
trete er aus dem Haus der Krankheit heraus und genieße die frische Luft"
(S. 102). So erlebte es auch diese Frau. Ihr Leben war nämlich keineswegs ungeplant,
auch wenn es von den Eltern nicht mehr geplant war, aber Gott, der Schöpfer, wollte
diesem Mädchen, dieser Frau, das Leben schenken. Und Gott sei Dank spät,
aber doch nicht zu spät, hat das auch ihre Mutter erkannt. In diesen versöhnlichen
Worten der Mutter durfte die Tochter ihrem Schöpfer "ins Fenster schauen".
Es gibt so viele Momente in unserem Leben, in denen
wir Gott, dem Schöpfer, "ins Fenster schauen" können. Wir können
es, weil Gott selber uns immer wieder diesen Blick gewährt. An uns liegt es nur,
mit wachen Augen durchs Leben zu gehen und diese Fensterblicke nicht zu verpassen
Sie nämlich geben uns die Gewissheit, dass diese Welt, das ganze Universum, aber
eben auch unser kleines Leben in den guten Händen eines wunderbaren Schöpfers
und Erhalters ist, dem zu vertrauen sich immer lohnt.

Die Kirchengemeinde
Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht eine gesegnete Woche!
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