Themenpredigt: "Mutmacher gesucht"
Es gilt das gesprochene Wort!
"Adler, du bist ein Adler. Du gehörst dem
Himmel und nicht dieser Erde. Breite deine Schwingen aus und fliege!" Das war
der entscheidende Satz. Und doch flog der Adler noch nicht. Erst als der Mann den Adler
direkt in die Sonne schauen ließ, "breitete er seine gewaltigen Flügel
aus, erhob sich mit dem Schrei eines Adlers, flog höher und höher und kehrte
nie wieder zurück".
Hätte es den Mutmacher in der Gestalt des "naturkundigen
Mannes" nicht gegeben, der Adler würde noch immer auf dem Hühnerhof
spazieren und Körner picken. Der Mann, der den Adler im Wald gefunden hatte, kam
gar nicht darauf, den Adler seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen. Im Gegenteil!
Er war sogar stolz darauf, dass es gelungen ihm ist, einen Adler zu einem Huhn zu erziehen.
Voller Überzeugung und einer Spur von Überlegenheit meinte er: "Er ist
jetzt kein Adler mehr, sondern ein Huhn, auch wenn seine Flügel drei Meter breit
sind."
Es ist faszinierend, den "König der Lüfte"
in seinem wahren Element zu sehen. Er gehört nicht an den Boden, sondern in den
Himmel. Auch wenn er anders "sozialisiert" (aufgezogen) worden ist, und mit
den Hühnern Körner gepickt hat, sodass seine eigentliche Bestimmung nahezu
aus dem Blick geriet! Dennoch hat er "das Herz eines Adlers", und das ist
anders gepolt. Nicht so Erd-verhaftet, mit Blick nach unten, sondern vielmehr himmelwärts
gerichtet!
"Trachtet nach dem, was droben ist!" werden wir in der Bibel aufgefordert, und ermutigt (Kolosser
3,2). Menschenkinder sind keine Geschöpfe "für den Hühnerhof".
Im Glauben an Jesus sind sie zu Himmlischem berufen! Ich meine damit nicht, dass sie
vom Boden abheben sollen, um zu schweben - frei wie der "König der Lüfte".
Die Erdverbundenheit und die Schwerkraft des Lebens würde uns gut am Boden halten
und uns zeigen, dass die Flügel erst noch weiter wachsen müssen.
Aber der Boden ist nicht unsere letzte Bestimmung.
Wohl sind wir so "sozialisiert" und "picken" von Kindesbeinen an
unsere Körner, wie alle um uns herum. Aber im Herzen schlummert - wie beim jungen
Adler - noch eine andere Sehnsucht! Gott hat uns "die Ewigkeit ins Herz gelegt"
(Prediger 3,11). Wenn das durch Leben und Erziehung nicht ganz verschütt gegangen
ist, und - wie in der Geschichte vom Adler - frei gelegt wird, dann können wir
unsere göttliche Berufung erkennen:
Bodenhaftung im Natürlichen, Himmelwärts
im Geistlichen. Die eingeschränkte Gesinnung wird erweitert. Jesus, der alles
Erdige und Schwere durchlitten hat, bis zum Kreuz, eröffnet uns durch Auferstehung
und Himmelfahrt einen neuen Horizont.
Ohne Welt-fremd zu werden, soll unser Herz nun dahin
gerichtet sein. Weil Jesus "drüber steht", und alles im Blick hat, und
von oben her lenken kann. Er hat die "Adler-Perspektive", und es entgeht
ihm nichts. Wie der "König der Lüfte" mit seinem scharfen Blick
alles wahr nimmt, so sieht auch Jesus, was "da unten" los ist, was uns bewegt
oder beschwert. Von oben aus sieht er die Dinge immer noch mal anders, und in einem
helleren Licht. Und kann zurecht rücken, und Hilfe schicken, und es in seinem
himmlischen Plan einordnen.
Der "Hühnerhof" entspricht nicht dem
Wesen unserer Seele. In Jesus sind wir zu Höherem berufen!
"Mutmacher gesucht" heißt unser heutiges
Thema. Das Gegenteil von Mutmacher ist der "Miesmacher". Das sind Leute,
die mit sich und der Welt unzufrieden sind und mit ihrer Laune andere mit nach unten
ziehen. Mutmacher dagegen sind Menschen, die wissen, was ihre Bestimmung ist und andere
Menschen dazu bringen, ihre eigene Bestimmung zu entdecken.
In einer Zeitungsbeilage zum Thema "Beruf und
Karriere" war kürzlich unter der Überschrift "Loben kann Wunder
wirken" zu lesen: "Gelegentlich auch mal ein gutes Wort hören, das steht
auf der Wunschliste der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz oben. Was auf eine entsprechende
Unterversorgung schließen lässt, sagt die Expertin für Führungskräfteentwicklung
Christine Scheitler. Führungskräfte handelten in der Regel nach dem
Motto: Wenn ich nichts sage, ist es in Ordnung. Und die Praxis zeige es tagtäglich:
"Das berühmte gute Wort' bewirkt meist erheblich mehr als all die hochgestochenen
Leistungsanreizsysteme."
Eine Studie aus dem Jahr 2008 zeigt: Jeder fünfte
Arbeitnehmer erklärt, dass nur für gute Arbeit Lob und Anerkennung ausgesprochen
wird. Fast sieben von zehn Beschäftigten beanstanden, dass bei der Arbeit das
Interesse an ihnen als Mensch fehlt. Drei Viertel der Arbeitnehmer kritisieren, dass
ihnen kein regelmäßiges Feedback über persönliche Fortschritte
bei der Arbeit gegeben wird.
Werte und Wertschätzung, Anerkennung und Lob verkümmern
immer mehr. Und das darin zum Ausdruck kommende sozialkompetente Führungsverhalten
wird als weicher Wert angesehen und dementsprechend vernachlässigt.
Dagegen behauptet Michael Kastner, Professor
für Organisationspsychologie an der Uni Dortmund: "Soziale Kompetenz [
!]
ist die Formel für diejenigen, die auf Dauer Erfolg haben wollen."
Diese Beobachtungen aus der Arbeitswelt gehen so weit,
dass die Führungskräfteentwicklungsfachfrau Scheitler sagt: "Es mag
banal klingen, aber wer nicht lobt, wird auch nicht geliebt. Und wo keine Liebe ist,
ist auch keine wirkliche Bindung."
Geld allein bindet nicht. Ein gezahltes Gehalt ist
rasch zu überbieten. Erheblich schwieriger wird es schon, die Qualität umsichtiger
Führung und einer guten betrieblichen Atmosphäre zu überbieten. Wir
unterschätzen die Wirkung dieser Qualität.
Wer nur durch Forderungen getrieben und nicht auch
mal durch Lob und Anerkennung gezogen wird, erlischt früher oder später.
Wer nicht selber Chef ist, sondern auch in irgendeinem
Betrieb, in einem kleinen oder großen Unternehmen angestellt, wer tagtäglich
seiner Arbeit nachgeht, der kennt das. Der weiß und der hat das auch verinnerlicht,
worauf wir Franken auch noch ein wenig stolz sind: "Ned g'schimpft ist g'nouch
g'lobt." Eher lässt der Vorgesetzte, der Chef eine Extrazulage über
den Tisch wachsen als Lob und Anerkennung.
Und deshalb wird ja auch in allen Arbeitsverhältnissen
bis hinauf zu unseren Fußballmillionären bei der Frage nach der Unternehmensbindung
letztlich nur über Geld gesprochen.
Wenn dann die Beobachtung stimmt, könnte sich
das am Ende als kurzfristig erweisen. Nur - wie sagt Frau Scheitler? "Wo keine
Liebe ist, ist auch keine wirkliche Bindung. Geld allein bindet nicht."
Gehen wir einen Schritt weiter.
Genau dieselbe Problematik kennen viele unter uns aus
ihrem privaten Leben, aus der Beziehung zum Partner, zu den Kindern, in der Gemeinde,
zu sich selbst und aus der Beziehung zu uns nahe oder auch weniger nahestehenden Menschen.
Wir sind von Haus aus nicht die großen Mutmacher,
sondern Spezialisten im Aufspüren von Schwachstellen und Defiziten.
Der erste Satz unseren Kindern gegenüber ist höchst
selten ein positiver, anerkennender, wertschätzender. Meist heißt es, wenn
die Kinder nach Hause kommen: "Was hast Du nicht gemacht? Was hast Du vergessen?
Wieder so eine schlechte Arbeit? Und, und, und. Und am Tisch heißt es: "Setz
dich ordentlich hin, schling das Essen nicht so runter, nimm Messer und Gabel, räum
endlich mal dein Teller auf."
Eine unserer wichtigsten Lebensaufgaben besteht darin,
ein Mensch zu werden, der andere Menschen prägt, fordert und ermutigt. Ein Mensch,
der in anderen Leben weckt und ihnen zur Blüte verhilft.
Paulus schreibt an die Epheser (2,10 HfA): "Gott hat etwas aus uns gemacht: Wir sind sein Werk,
durch Jesus Christus neu geschaffen, um Gutes zu tun. Damit erfüllen wir nur,
was Gott schon im Voraus für uns vorbereitet hat."
Auf ihn dürfen wir unser Vertrauen setzen. Er
ist "meine Hoffnung und meine Freude".
Gott weist uns eine verantwortungsvolle Rolle zu. Er
gibt es uns ein Mandat, einen Auftrag, Vollmacht, Recht, Verantwortung für ein
bestimmtes Gebiet oder eine bestimmte Sache.
Die Bibel weiß um mindestens fünf solcher
Mandate. Nicht zuletzt Dietrich Bonhoeffer hat daran neu erinnert.
Die Schöpfung
, die Gott in 1. Mose 2,15 dem Menschen überträgt,
mit dem konkreten Auftrag, sie zu bebauen und zu bewahren.
Das
zweite Mandat ist die Familie. Und
diese Aufgabe ist nicht nur verheirateten Personen mit Kindern anvertraut. Das vierte
Gebot, "Du sollst deinen Vater
und deine Mutter ehren", hat
mit dem Respekt und der Fürsorge für die Menschen zu tun, denen ich meine
Existenz verdanke. Früher nannte man das Ganze auch "Generationenvertrag",
heute sagt man Altersvorsorge und Pflegeversicherung dazu. Ersteres war meist noch
finanzierbar. Und natürlich gehört dazu auch eine zweite Ebene: die Verantwortung
gegenüber meinem Ehepartner und meinen Kindern. Und dabei ist die Priorität
der eigenen Familie vor andere Verantwortungsbereiche zu beachten. Paulus schreibt
seinem Freund Timotheus (1. Timotheus 3,5 GNB): "Wenn jemand seine eigene Familie nicht zu leiten versteht, wie kann er
dann die Sorge für die Gemeinde Gottes übernehmen?"
Das dritte Mandat ist unser Verhalten im Staat, in
dem wir leben, in der Kirche oder Gemeinde, der wir angehören. Es betrifft auch
meine Aufgaben und Verantwortungen, die uns in einer Firma, in einem Verein oder in
einer Partei übertragen sind. Und wer in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten
Verantwortung für andere Menschen hat, für Mitarbeiter und Angestellte, weiß,
welche Last so ein Mandat sein kann.
Beim vierten
Mandat geht es um mich selbst. Ich trage
Verantwortung für mein Leben, für Körper, Seele und Geist. "Behüte dein Herz mit allem Fleiß" mahnt uns der weise König Salomo im Buch der Sprüche
(Sprüche 4,23). Und bei diesem Mandat geht es auch um meine persönliche Verantwortung
vor Gott: "Du sollst den Herrn deinen Gott lieben, von ganzem Herzen, von ganzer
Seele und mit all deiner Kraft."
Und das fünfte
und letzte Mandat ist meine Verantwortung
dem Nächsten gegenüber - die Fortsetzung des vierten Mandats: "
und deinen Nächsten wie dich selbst."
Und bei Menschen, die mir näher stehen, habe ich
noch eine weiter reichende Verantwortung:
Gott gibt mir die Aufgabe, sie zu fördern, zu
ermutigen, aufzubauen, weiterzubringen.
An die Gemeinde in Rom schreibt Paulus: "Ich bin
aber, meine Brüder, im Blick auf euch überzeugt, dass auch ihr selbst voller
Güte seid; erfüllt mit aller Erkenntnis, fähig auch einander zu ermahnen.
Und dieses "Ermahnen", das
ein Schlüsselwort im neuen Testament ist, das meint nicht zuerst und erst recht
nicht ausschließlich dieses "mit erhobenem Zeigefinger" dem andern
seine Grenzen aufzeigen, ihn zurechtweisen und was auch immer wir darunter verstehen.
Paulus meint etwas anderes damit. Er sagt: Ich glaube,
dass ihr inzwischen in eurem Glauben an Jesus Christus so weit fortgeschritten seid,
dass ihr einander in solchen Fragen liebevoll und mit Güte begegnen könnt,
fähig, auch einander zu ermahnen.
Dieses Wort parakaleîn ("ermahnen")
steckt auch in dem griechischen Wort, das im Neuen Testament für den Heiligen
Geist verwendet wird: paráklätos (Johannes 14,26; 15,26; 16,7). Der Heilige
Geist ist eben nicht nur Ermahner, sondern dieses Wort bedeutet auch: ein Ermutiger,
ein Mutmacher (!), ein Beistand, ein Anwalt, ein Fürsprecher, ein Ratgeber und
ein Tröster.
Paulus verwendet also bewusst das Wort, welches das
Wesen und die Aufgabe des Heiligen Geistes umschreibt, um uns klar zu machen, wie wir
miteinander umgehen sollen. Und er sagt damit: "Obwohl ihr in eurer Gemeinde Schwierigkeiten
habt (und in welcher Gemeinde gibt es nie Schwierigkeiten), traue ich euch zu, dass
ihr die Voraussetzung dazu habt, einander dasselbe zu sein, was der Heilige Geist für
uns ist: ermutigende Ermahner, Ratgeber, Tröster, die einander beistehen und einander
fördern.
"Mutmacher gesucht!" heißt das Thema
heute.
Ja, das brauchen wir. Und zwar in jedem Bereich, in
dem wir Verantwortung tragen.
Mutmacher brauchen wir, die die ihnen übertragene
Verantwortung im Betrieb, im Verein, in der Partei nicht um der Karriere willen wahrnehmen,
sondern in der Verantwortung vor Gott und vor den Menschen, die ihnen anvertraut sind.
Und für manche Erkenntnis bräuchten wir nicht
einmal die Bibel: Wie sagt die Führungskräfteentwicklungsfachfrau Scheitler:
"Wo keine Liebe ist, ist auch keine wirkliche Bindung."
Mutmacher im ganz persönlichen Bereich. Die den
Mut haben, für ihr Herz und ihre Seele zu sorgen. Dafür muss man andere Dinge
an die zweite Stelle oder noch weiter nach hinten rücken.
Mutmacher, "die den Herrn ihren Gott lieben, von
ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all ihrer Kraft."
Mutmacher, die deshalb auch ihren Nächsten lieben
wie sich selbst, weil sie selbst Geliebte sind.
Mutmacher gesucht. Ja, Mütter und Väter,
die nicht immer nur sehen, was ihre Kinder wieder falsch gemacht haben, was immer noch
nicht aufgeräumt ist, was immer noch nicht funktioniert und wo sich immer noch
nichts verändert hat. Manchmal denke ich, wenn Gott so mit uns umgehen würde,
wie wir manchmal mit unseren Kindern, wir hätten bei ihm nicht viel zu lachen.
Und solche Mutmacher brauchen wir auch in unseren Kindergärten
und Schulen. Lehrerinnen und Lehrer, die nicht nach Lücken suchen und für
Nicht-Wissen Noten verteilen, sondern für das, was Kinder können - und die
das stärken.
Eine Beratungsfirma, die im Bereich diakonischer Einrichtungen
tätig ist, schreibt auf ihrer Homepage im Internet: "Wir schauen auf die
Fähigkeiten, nicht auf den Mangel." Wenn Sie Berater suchen, die in Defiziten
und Schwachstellen herumstochern, sind wir nicht die Richtigen.
Sind wir Berater, die in Defiziten und Schwachstellen
herumstochern? Oder Ermutiger, Förderer, Mutmacher, die auf die Fähigkeiten
anderer schauen und nicht auf den Mangel? Und die so auch auf die eigenen Fähigkeiten
schauen und nicht auf den eigenen Mangel?
Hören wir uns noch drei praktische Beispiele
von Mutmachern an, die es in jedem Bereich unseres Lebens gibt
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Weil Gott uns immer wieder neuen Mut gibt, dürfen
auch wir Mutmacher sein!
Die Kirchengemeinde
Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht einen gesegneten 1. Advent!
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