55. "Leben live"-Gottesdienst, 24. September 2011
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart.
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Themenpredigt: "Dran bleiben"

Es gilt das gesprochene Wort!



Unter "Dranbleiben" verstehen wir normalerweise das Dranbleiben an einer Sache, an einer Aufgabe, an einem Projekt, an einer Herausforderung. Dranbleiben ist dann etwas, das mit Leistung, Aktivität zu tun hat. Dranbleiben an einer Sache heißt dann auch so viel wie "sich in eine Sache hineinknien", Zeit und Kraft investieren …

Wenn wir an das kurze Anspiel zurückdenken, dann ist das eine andere Art von Dranbleiben. Jemand liest, und auf ihn stürmen verschiedene "Angebote" ein:

o Du kannst doch nicht ständig das Gleiche tun, komm doch mit.
o Sei doch nicht so langweilig, komm, wir machen Party.
o Gönne dir doch mal was Tolles.
o Mir ist schleierhaft, wie man immer nur lesen kann.
o An dir geht doch das Leben vorbei.
o Man muss was erleben, das Leben ist kurz.
o Was hast du davon, wenn du immer nur liest?
o Warum bist du so?

Doch der Angesprochene reagiert nicht darauf. Er bleibt bei der Sache. Lässt sich nicht ablenken. Von Anstrengung oder gar Leistung ist da nichts zu merken. Ganz entspannt sitzt er da und liest.

Damit kommen wir dem schon wesentlich näher, was Jesus über das Dranbleiben sagt. Um das zu verstehen, müssen wir zuerst sehen, in welchem Zusammenhang Jesus das sagt.

In Johannes 15,1 sagt Jesus, dass er der "wahre" Weinstock ist. Er scheint sich von anderen "Weinstöcken" abzugrenzen, die nicht oder nicht mehr "wahr" sind. Tatsächlich wird im Alten Testament das Volk Israel oft mit einem Weinstock und ihr Land mit einem "Weinberg" verglichen. Im Psalm 80 ist die Rede vom "Weinstock Israel", der von Gott aus Ägypten geholt und an einem neuen Ort mit viel Raum zu allen Seiten eingepflanzt wurde (V. 9.10). Aber auch der Niedergang und die Zerstörung dieses Weinstockes wird schon beklagt (V. 13-15). Auch in Hosea 10,1 werden einstige Größe und Verfall des "alten Weinstocks" beschrieben. Mit Jesus setzt Gott einen neuen "Weinstock", einen neuen Anfang in dieser Welt. Jesus ist der "wahre" Weinstock, weil er ganz und gar mit Gott verbunden ist und sich nicht wie das Volk Israel ein ums andere Mal von Gott abwendet. Dieser neue Weinstock verkörpert das neue Volk Gottes, das sich aus Menschen zusammensetzt, die Gott lieben und Jesus Christus nachfolgen. Sie sind wie Reben eng mit Jesus verbunden und leben aus der Kraft, die der "Weinstock" den "Reben" schenkt.

Jesus verwendet sehr starke Bilder, um zu beschreiben, wer er ist. Er legt keinen gesteigerten Wert darauf, dass man seinen Namen kennt. Viel wichtiger scheint ihm zu sein, dass die Menschen verstehen, was er für ihr Leben bedeuten kann, und aus welchem Grund er gekommen ist. Nur der Apostel und Evangelist Johannes, der "Lieblingsjünger" oder genauer: der Jünger, "den Jesus lieb hatte" (Johannes 13,23; 19,26; 20,2; 21,7.20), überliefert uns diese starken Bildreden von Jesus, die sieben "Ich bin"-Worte. In diesen Beschreibungen wird nicht nur spürbar, wer Gott bzw. Jesus ist, sondern vor allem wie er ist und was das für unser Leben bedeutet.

Mit "Ich bin das Brot des Lebens" beschreibt sich der, der den Lebenshunger stillen kann;

das "Licht der Welt" ist der, der Menschen aus ihrer Finsternis reißen kann;

als "Tür" öffnet er Perspektiven aus der Enge;

der "gute Hirte" ist Jesus für alle, die in der Orientierungs- und Sinnlosigkeit des Lebens verzweifeln;

als "Auferstehung und Leben" zerschmettert er den Tod und alle Begrenztheit des Lebens;

er ist der "Weg, die Wahrheit und das Leben" - Orientierung und grundlegende Basis des Lebens und

er ist der "Weinstock", der uns alles zufließen lässt, was wir brauchen, um "Früchte" zu bringen.

Immer wieder einmal werden wir uns in den nächsten "Leben live"-Gottesdiensten mit einem "Ich bin"-Wort von Jesus befassen, heute also mit dem Wort vom Weinstock.

Jesus ist der Weinstock. Die Seinen sind die Reben. An ihnen sollen Früchte wachsen, die ein Zeichen unserer lebendigen Beziehung zu Jesus sind. Die Lebensader - der Geist Gottes - soll ungehindert und stark vom Weinstock in die Rebe, von Jesus in unser Leben fließen. Dann können Früchte entstehen, wie Paulus sie im Brief an die Galater beschreibt: "Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit" (Galater 5,22).

Stellt euch einen Weinberg vor, in dem die Weintrauben herrlich verlockend in der Sonne glänzen! Sie laden ein zum Anbeißen. Es läuft einem schon beim Anblick das Wasser im Munde zusammen. So stellt sich Gott Gemeinde vor. Reben (Christen), die lebendig mit Jesus verbunden sind, tragen Früchte (Liebe …), die andere so faszinieren und ansprechen, dass sie am liebsten anbeißen möchten. Menschen um uns her; die diese Früchte an uns erkennen, werden neugierig, woher wir diese Kraft haben so zu lieben, zu hoffen und zu glauben. Sie selbst möchten nicht nur die Quelle unserer Kraft kennen lernen, in ihnen wächst auch die Sehnsucht, wie wir mit Jesus verbunden zu sein.

Hast du dieses Bild vom Weinstock vor Augen? Einladende, faszinierende Früchte, die an Menschen sichtbar und begreifbar werden und die Sehnsucht wecken, anzudocken und festzumachen bei Jesus? Ist das nicht ein Bild, eine Vision von Gemeinde, die dich begeistern kann? Warum ist aber die Realität der Gemeinde und auch meines eigenen Lebens oft so anders? Trage ich wirklich Früchte an mir, die andere faszinieren und einladen, Jesus kennen zu lernen? Sind es oft nur "Früchtchen" oder "trockene Rosinen", die Menschen an Gemeinden entdecken und wenig einladend sind? Warum ist das oft so?

< Anspiel: "Es lebe die Rebe!" >

Es ist ganz wichtig, dieses Bild vom Weinstock zu verstehen. Hier ist nicht die Rede davon, dass wir - die Reben - diese Früchte herstellen müssen. Und doch ist das manchmal unser Gedanke: "Ich bin Christ, also muss ich lieben, muss ich hoffen, muss ich anderen vom Glauben erzählen." Nein, wenn wir versuchen diese Früchte aus uns und aus unserem Geist herauszupressen, dann kommt nur wenig Einladendes heraus, im Gegenteil. Nein, es geht hier nicht um unsere Produktion, sondern um unsere lebendige, offene Beziehung zu Jesus. Deshalb ist es auch so wichtig, das "Dranbleiben" richtig zu verstehen. Es hat wenig bis gar nichts mit Leistung, Anstrengung, Aktivität zu tun; aber es hat viel zu tun mit "sich nicht ablenken lassen", "nicht auf falsche Einflüsterungen hören".

Liebe ist nicht unser Werk, sondern eine Frucht, die in der Verbindung zu Jesus und der Kraft des Heiligen Geistes wächst. Wir sehen oft nur auf unsere Frucht, als wäre das die entscheidende Beziehung. Das ist falsch. Die entscheidende Beziehung ist nicht Mensch - Frucht, sondern Jesus - Mensch, denn Frucht wird nicht gemacht, sondern wächst.

Die wichtige, entscheidende Frage ist also: Bist du lebendig verbunden mit Jesus Christus? Ist die Verbindung offen und frei, so dass die Lebensader, der Heilige Geist, in und durch dein Leben fließen kann? Was kann diese lebendige Beziehung zu Jesus verhindern, was kann den "Ein-Fluss" des Heiligen Geistes behindern?

Zum einen der Kalk des Vergessens. Manchmal vergessen wir Gott, bleiben nicht an Jesus dran. Der Alltag hat Jesus erfolgreich vom ersten Platz verdrängt. Der Psalmist ruft ganz bewusst: "Seele, vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat" (Psalm 103,2). Dann brauchen wir dringend den Kalklöser Gottes. Wir brauchen Menschen, die uns erinnern und uns neu in die lebendige Verbindung zu Jesus fuhren. In Matthäus 13, im Gleichnis vom Sämann, beschreibt Jesus einige Dinge, die uns davon abhalten, das Wort Gottes aufzunehmen und umzusetzen, also Frucht zu bringen. Da ist die tägliche Sorge, die Jesus "überlagert"; da ist der Spott am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Nachbarschaft, der uns den Kontakt zu Jesus erschwert, und da ist natürlich auch der Diabolos (auf deutsch: der Durcheinanderwerfer), der bewusst und gezielt Gottes gute Worte in unserem Herzen durcheinander wirft und uns dadurch von der Lebensader abkoppeln will. Schon seine ersten Worte an die Menschen riefen den Zweifel an Gott hervor und führten in die Trennung von Gott: "Sollte Gott gesagt haben …?" Diese bohrende Frage des Zweifels sät der Diabolos bis heute in unsere Herzen: "Sollte Gott dich lieben? Sollte Gott dein Gebet hören? Sollte Gott durch dich, gerade durch dich, etwas in dieser Welt tun wollen?"

Ich wünsche dir, dass du diesen erbärmlichen Versuchen, dich von der Hauptschlagader des Lebens zu trennen, eine klare Absage erteilst und dich in einer Entscheidung für Jesus auch scheidest von allen anderen Mächten und Kräften der Welt.

Oft genug lagert sich auch einfach Schuld in die Beziehung zu Jesus ein. Nicht immer gleich die ganz große Schuld, oft sind es "Kieselsteine" der Schuld, die nach und nach eine Sperrmauer bilden und keinen Tropfen Heiligen Geistes mehr in unser Leben fließen lassen. Der lebendige Kontakt zu Jesus ist unterbrochen, wie bei einer verschmutzten Zündkerze, bei der der Funke nicht mehr überspringt, weil sich zu viel eingelagert hat. Wir brauchen die Reinigung, wir brauchen die Sprengung der Sperrmauer. Hast du es schon einmal erlebt, wie plötzlich durch die Sprengkraft der Vergebung Jesu die Mauer der Schuld einstürzte und du ganz neu von der Liebe und Kraft Gottes erfüllt wurdest?

Was passiert, wenn diese Beziehung zu Jesus abstirbt? Vielleicht kennst du das: Du sitzt längere Zeit an einem Platz und hast deine Beine übereinander geschlagen. Wenn man das längere Zeit macht, dann kann es vorkommen, dass das "obere" Bein einschläft, weil es nicht mehr so gut durchblutet wird. Das kann richtig weh tun und wenn man versucht aufzustehen, kippt man fast um, weil die Kraft im Bein fehlt. Wenn die Verbindung zu Jesus nicht mehr offen ist und die Kraft des Heiligen Geistes diese Lebensader nicht mehr durchfließt, dann schläft unser Glaube ein und stirbt langsam ab. Ohne die Durchblutung mit dem Heiligen Geist schlafen wir als Christen ein. Und wenn wir dann plötzlich in der Schule für unseren Glauben aufstehen wollen, fallen wir fast um, weil der Glaube nicht mehr lebendig ist. Dann fehlt auch unseren noch so gut gemeinten Veranstaltungen die Kraft des Heiligen Geistes. Wenn der Glaube dann nur noch aus unserem Geist gespeist wird, fehlt ihm die lebensverändernde Kraft.

In Johannes 15 steht sogar, dass solche Reben, die nicht mehr vom Heiligen Geist "durchblutet" sind und absterben, irgendwann von Gott, dem Weingärtner, abgeschnitten und verbrannt werden. Im Gegenzug betont Jesus aber: "Wenn ihr ganz mit mir verbunden seid und in der Kraft des Heiligen Geistes lebt, werden gewaltige Früchte in eurem Leben sichtbar werden." Es geht im Glauben nicht um die oft geforderte Verbindlichkeit als Werk von uns, sondern um die Verbindung zu Jesus.

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht einen gesegneten Sonntag!