50. "Leben live"-Gottesdienst, 20. November 2010
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart.
Alle Rechte vorbehalten.
Ein Nachdruck des revidierten Textes der Lutherbibel sowie jede andere Verwertung
in elektronischer oder gedruckter Form oder jedem anderen Medium bedarf
der Genehmigung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.


Themenpredigt: "Best of … - Zum 50. ‚Leben live' das Beste aus den vergangenen 49"

Es gilt das gesprochene Wort!



Aus dem 5. "Leben live"-Gottesdienst am 15. März 2003
zum Thema: "Trau, schau - wem?"


Als der Jung-Feuerwehrler Olli sich von der Empore abseilte, konnte er das nur, weil er volles Vertrauen hatte zu seinen Feuerwehr-Kameraden und zum Kommandanten, volles Vertrauen auch in das Seil, dass es nicht reißt und in die Leiter, dass sie nicht bricht. In der Tat: Die ganze Aktion war in vielerlei Hinsicht abgesichert: An beiden Enden der Leiter stand je ein Feuerwehrler, der die Leiter hielt. Er sorgte dafür, dass die Leiter nicht abrutschte. Das eigentliche Seil, an dem sich N. von oben herunterließ, wurde von zwei Kameraden gehalten. Außerdem gab es noch ein zweites Sicherungsseil, das der Kommandant hielt. Olli hat sich dieses Abseilen zugetraut, weil er wusste: Auf meine Kameraden in der Feuerwehr und auf das verwendete Material ist Verlass. Ich kann ihnen vertrauen.

Ja, Vertrauen, das ist eine ganz alltägliche Angelegenheit. Ich vertraue mich und mein Leben jemandem an. Da wäre der Arzt, der Apotheker, der Busfahrer, die Handwerker, die ich arbeiten lasse, zum Beispiel mein Haus habe bauen lassen usw. Wir denken in der Regel überhaupt nicht darüber nach, wie stark wir uns tagtäglich an andere ausliefern. Jedesmal, wenn ich mich in ein Auto setze, liefere ich mich aus: an den Fahrer, oder, wenn ich selber fahre, an den Konstrukteur des Autos, die Mechaniker der Reparaturwerkstatt und an die anderen Autofahrer, denen ich begegne und die mit mir unterwegs sind. Jedesmal, wenn ich mich auf einen Stuhl setze, vertraue ich darauf, dass er mich aushalten wird. Jedesmal, wenn ich einen Raum betrete, tue ich das in dem Glauben, dass die Decke des Raumes nicht einstürzen wird. Es gibt keinen Menschen, der nicht vertraut, der "gar nichts" glaubt. Und das muss so sein. Ohne Glauben würden wir "durchdrehen". Ich muss mich zum Beispiel auch in hohem Maß auf mich selbst verlassen können. (Bist du zum Beispiel sicher, dass du, während du hier im "Leben live" bist, deine Herdplatte in der Küche ausgeschaltet hast?).

Wir können nicht alles nachprüfen. Wir wären lebensunfähig, wenn wir, von ständigen Vergewisserungszwängen geplagt, alles nachprüfen wollten, was wir nachprüfen können. Wir würden uns früh nicht mehr aus dem Bett trauen - und auch dann entkämen wir dem Glauben nicht. In diesem Fall wäre eben das Bett und die Statik des Zimmers, in dem sich das Bett befindet, Gegenstand unseres Vertrauens.

Die eben genannten Beispiele beziehen sich samt und sonders auf etwas, was wir - zumindest prinzipiell - nachprüfen können. Wir können nachschauen, ob wir die Herdplatte ausgeschaltet haben. Wir können uns vom Busfahrer den Führerschein zeigen lassen (was auch wieder Ausdruck des Vertrauens in die Echtheit und die Aussagekraft eines solchen Papiers wäre), wir können das von der Reparatur gekommene Auto von einem zweiten Fachmann durchchecken lassen, wir können die Milch, die wir kaufen, auf ihren eventuellen Giftgehalt hin chemisch analysieren lassen (man weiß ja nie, ob der Milchlieferant nicht ein geistesgestörter Massenmörder ist).

Die Sache verschärft sich, wenn es um Dinge geht, die wir nicht nachprüfen können. Wir alle leben viel mehr von diesen reinen Glaubensdingen als von dem, was wir nachprüfen können. Nachprüfbar ist immer nur das Vordergründige, Materielle. Aber zum Beispiel alle Werte, alle Ziele und Ideale, jedes Warum und Wozu und alles Zusammenleben sind dem Nachprüfbaren entzogen: Sie sind Glaubensgegenstände.

Wer sagt beispielsweise Lehrern und Eltern, dass die Art, wie an unseren Schulen unterrichtet wird, Menschen wirklich vorbereitet auf ihr späteres Leben? Wer sagt uns, dass unser Rechtssystem richtig ist? Wer sagt den Politikern, den Ärzten, den Wirtschaftsexperten und den vielen anderen, dass sie mit der Welt und den Menschen so umgehen dürfen, wie sie es tun? Wer sagt uns, dass wir mit unserem Leben, unserem Körper, unserer Freizeit, unserem Ehepartner und unserem Geld so umgehen dürfen, wie wir es tun? Die Antwort lautet immer: Wir - oder die Betreffenden - glauben es eben so. Und dieser Glaube kann wahr oder falsch sein.

Vertrauen, Glaube ist ein Risiko: Ich setze mich immer in gewisser Weise selbst aufs Spiel, wenn ich glaube. Wie gesagt, ein alltägliches Risiko: Ich verlasse mich auf andere, und andere verlassen sich auf mich.

Gleichzeitig aber gilt: Nicht: Hauptsache, der Mensch hat irgendeinen Arzt, sondern er braucht einen guten Arzt! Nicht: Hauptsache, der Mensch hat irgendwelche Ziele und Ideale, sondern er braucht gute Ziele und Ideale! Nicht: Hauptsache, der Mensch hat irgendeinen Halt, sondern der Halt muss auch halten!

Glauben im Sinne der Bibel heißt Vertrauen. Gott steht zu uns, er liebt uns, er wendet sich uns zu, er kümmert sich und interessiert sich für uns. Wir sind ihm nicht gleichgültig. Deshalb können wir ihm vertrauen. Und deshalb erwartet er unser Vertrauen.

Das Vertrauen,

... dass Gott mich geschaffen hat und mich liebt. ... dass er den Sinn des Lebens kennt und nur durch ein Leben mit ihm mein Leben den Sinn und das Ziel bekommt, das es von Gott her haben soll. ... dass er mich durch mein Leben führen will und dass das, was er will oder zulässt, das Beste für mich ist.

Gott wartet auf unser Vertrauen, er wartet auf unser Ja zu ihm. Er hat schon lange ja zu uns gesagt, aber er wartet auf unsere Antwort, er wartet darauf, dass wir seine ausgestreckte Hand ergreifen. Das heißt: Wir sind vor eine Entscheidung gestellt.

Wenn wir dieses "Ja" in unserem Leben bereits gesprochen haben, dann wissen wir, dass dies keine einmalige Sache ist, sondern immer wieder erneuert werden muss. Aber es muss auch ein "erstes Mal" geben, an dem ich bewusst ja sage und Gott mein Vertrauen ausspreche.

Wenn es einen gibt, dem ich mein grenzenloses Vertrauen schenken kann, dann ist es der lebendige Gott. Er ist absolut vertrauenswürdig und wert, dass ich ihm mein Vertrauen schenke.


Aus dem 27. "Leben live"-Gottesdienst am 20. Januar 2007
zum Thema: "Unterwegs mit …"


"Wo gehen wir hin?" "Weiß nicht, wo gehen wir hin?" Ja, das ist schon eine wichtige Frage.

Christian Morgenstern (1871-1914) dichtete einmal: "Wer vom Ziel nichts weiß, kann den Weg nicht haben, muss im selben Kreis all sein Leben traben."

Unser Leben besteht aus Bewegung. Stillstand ist nicht der Normalfall. Leben heißt Bewegung, und Leben heißt "Unterwegs sein".

Nun haben wir an unserem Anspiel gesehen, dass Bewegung an sich noch nichts darüber aussagt, ob sie auch sinnvoll ist. Unterwegs waren die sechs ja schon, keine Frage. Und doch: Man kann sich stundenlang bewegen und unterwegs sein und doch nicht vorwärts gehen, sondern immer nur im Kreis. Man kann darüber streiten, wer vorne geht und wer hinten - ohne dabei zu merken, dass es in einem Kreis kein "Vorne" und "Hinten" gibt.

Wir merken, Bewegung allein ist noch nicht alles. Bewegung muss eine Richtung haben und ein Ziel, wenn etwas dabei herauskommen soll: Wohin bin ich unterwegs? Wo bin ich unterwegs? Es muss der richtige Weg sein, auf dem ich gehe. Außerdem muss ich mir die Frage stellen: Mit wem bin ich unterwegs? Und: Mit was bin ich unterwegs? Das ist zwar kein gutes Deutsch. Stilsicher muss die Frage lauten "Womit bin ich unterwegs?" Aber es besagt das Gleiche. Wollen wir uns diese Fragen einmal näher anschauen:

Zunächst die Frage nach der Richtung und dem Ziel: Wohin bin ich unterwegs?

Gott sagt uns in seinem Wort, dass er selbst das Ziel ist. Das, was man gemeinhin das "ewige Leben" nennt, die Ewigkeit in der Gemeinschaft mit Gott verbringen. Auf die Ewigkeit hin orientiert sein.

Zukunftsorientiert unterwegs zu sein, das ist eine gute Einstellung. Aber nur, wenn ich weiß, was "Zukunft" bedeutet. Unser deutsches Wort "Zukunft" heißt ja eigentlich, "wer oder was auf uns zu-kommt". Jesus wird wiederkommen, er wird zum zweiten Mal auf diese Erde kommen und sein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit aufrichten, dann werden die, die zu ihm gehören, ewig mit ihm verbunden sein.
Das ist die Zukunft, nämlich der auf uns zukommende, der wiederkommende Herr. Und dieses Ziel bestimmt dann auch mein Leben hier. Sich bereit machen für diesen großen Tag, daran erinnert uns auch der Apostel Petrus, der in seinem ersten Brief schreibt: "Darum seid bereit und stellt euch ganz und gar auf das Ziel eures Glaubens ein. Lasst euch nichts vormachen, seid nüchtern und richtet all eure Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit, die er euch in vollem Ausmaß an dem Tag erweisen wird, wenn Jesus Christus für alle sichtbar kommt" (1. Petrus 1,13 HfA).

Das Ziel ist die Ewigkeit, die nie mehr endende Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott.

Mit wem bin ich unterwegs? Gott ist mit uns unterwegs. Schade nur, dass viele das gar nicht merken oder auch nicht wahrhaben wollen. Ganz dezent leitet er uns Menschen durch das Leben, ganz und gar unaufdringlich. Er lässt uns die Freiheit, auch andere Wege zu gehen. Das freilich ist alles andere als klug. Denn wenn da jemand ist, der den Weg ganz genau kennt, dann ist es doch wirklich dumm, zu meinen man wüsste es besser. Wer, wenn nicht Gott, der uns geschaffen hat, der einen Plan für mein Leben hat … Wer, wenn nicht Gott könnte uns gut durchs Leben führen und uns den richtigen Weg zeigen?


Aus dem 26. "Leben live"-Gottesdienst am 11. November 2006
zum Thema: "Engel ?!"


Engel sind seit einigen Jahren in Mode. Und manche lieben Engel, besonders in der Zeit vor Weihnachten schmücken sie ihre Wohnung und freuen sich an den schönen Figuren. Neben diesen bildlichen und figürlichen Darstellungen von Engeln, die auf der christlichen Engelsvorstellung beruhen, gibt es aber auch Fragwürdiges: "geheimnisvolle mystische Lichtwesen", "dein Schutzengel im Sternzeichen", "das Heilgeheimnis der Engel", "Engel als kosmische Intelligenz" usw. usf. Darüber gibt es dann Engelbücher und Engelkalender.

Vor Jahren hätte sich das alles kaum jemand vorstellen können. Engel waren etwas für Kinder. Denn Kinder lieben Engel. Aber die Welt der Erwachsenen hatte dafür lange Zeit keinen Raum. Seit den Zeiten des Rationalismus, der sog. "Aufklärung" vor gut 200 Jahren, waren Engel für den gebildeten Europäer nur Traum- und Fantasiegestalten.

Seit etwa drei Jahrzehnten kann man beobachten, wie jene angeblichen Fantasiegestalten wiederkehren. Die sogenannte Postmoderne macht's möglich. Man ist der Nüchternheit von Vernunft und Wissenschaft müde geworden, unter denen Herz und Gemüt zu erfrieren drohen. So haben die Menschen angefangen, nach den alten Weisheiten, nach den alten Wurzeln zu suchen. So sind Esoterik und Magie groß geworden unter uns und haben den Raum gefüllt, den der verlorene Gottesglaube hinterlassen hat.

Auf einmal sind auch wieder die Engel da, jenes "himmlische Federvieh", wie man sie vor hundert Jahren verspottet hat. Die frei schaffende Fantasie entwirft Engelbilder und -gedichte. Manches fließt ein an biblischen Erinnerungen, noch mehr aber stammt aus tiefen Sehnsüchten und Träumen, die ins Bild der Engel gefasst werden. So wie man vor zweihundert Jahren die Engel für erledigt erklärt hat kraft menschlicher Vernunft, so werden sie jetzt wieder ins Leben gerufen kraft menschlicher Seelenbedürfnisse. Viele brauchen dazu keine Rückbindung an die Heilige Schrift. Ihre Quellen sind Traum und Fantasie, bildende Kunst und Poesie. Von der Bibel her könnte diese eigene Sicht ja in Frage gestellt werden!

Trotzdem gilt für evangelische Christen ohne Zweifel der Grundsatz, dass allein die biblische Offenbarung der Maßstab ist für Stellung und Bedeutung der Engel. Das ist seit der Reformation Grundüberzeugung der evangelischen Christenheit. "Es ist unser Grundsatz, dass Gottes Wort allein Glaubensartikel aufstellt und sonst niemand, auch kein Engel vom Himmel", stellt Martin Luther klipp und klar fest (Schmalkaldische Artikel II, 2,15).

Engel sind zwar Gottes Diener, und als solche wird sie biblischer Glaube achten und sich sogar an ihnen freuen. Aber die Engel stehen nicht im Glaubensbekenntnis an den dreieinigen Gott. Unsere Gebete richten wir darum nicht an Engel, sondern an Gott. Es wird uns kein Engelevangelium verkündigt, sondern allein das Christusevangelium. Damit werden die Engel nicht unwichtig, aber sie bleiben als Diener eindeutig unter Gott.

In allen Fällen sagen die Engel nichts Eigenes, sondern richten Gottes Botschaft aus als gehorsame Boten. Ihr Wort ist Gottes Wort, das nicht in Zweifel gezogen werden darf.

Und es gibt in der Bibel neben allen positiven Zeugnissen vom Dienst der Engel auch entschiedene Warnungen vor einer falschen Engelverehrung gibt. Vor allem in den Briefen an die Kolosser und die Hebräer kommt das klar zur Sprache. Es gab damals Leute, für die die Engel so wichtig wurden, dass die Engelverehrung die Anbetung Jesu Christi in den Hintergrund drängte. Wo das geschieht, damals und heute, werden Geschöpf und Schöpfer verwechselt. Die Engel wehren selber jeder Engelverehrung. Es ist allein der Herr anzubeten und zu verehren, "dem alle Engel dienen" (EG 16,2). Das Heil kommt nicht von den Engeln, sondern von Christus allein. Der Hebräerbrief betont, dass Christus hoch erhaben ist über alle Engel. Falsche Engelverehrung kann also von der Mitte des Evangeliums wegführen, weg von Jesus. Deshalb sollten wir aufpassen, dass wir nicht von Engeln reden, wo wir vom lebendigen Gott reden und von ihm unser Leben bestimmen lassen sollten. Es fällt schon auf, wie ein biblisches Randthema zu einem überall beredeten und gestalteten Hauptthema wird. Es fällt ja auch offenbar leichter zu sagen: "Da habe ich einen Schutzengel gehabt". Zugegebenermaßen ist das immer noch besser, als etwa zu sagen "Glück gehabt" oder "Schwein gehabt!"… Am besten freilich wäre es, wenn wir einfach sagen könnten: "Da hat mich Gott …" oder "Da hat mich Jesus vor Schlimmerem bewahrt". Das wäre ein klares christliches Bekenntnis! Hören wir Jesu Warnung: "Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen" (Matthäus 4,10).

Engel sind nur an dem, was sie im Namen Gottes sagen und tun, als Engel erkennbar, nicht an äußeren Erscheinungen wie Licht, weiße Gewänder oder gar Flügel. Wie Gott selber sich verhüllt hat in unser Fleisch und Blut, so verhüllen sich Gottes Boten oft in irdische Gewandung. Meist wissen wir gar nicht, ob uns Gott einen Menschen als "Engel" geschickt hat oder einen Engel in Menschengestalt. Die meisten Christen können ihr Lebtag von keiner besonderen Engelerfahrung berichten. Trotzdem können sie im Glauben an Christus fröhlich, getrost und geborgen leben und sterben. Denn wir hängen mit unserm Glauben und unserer Hoffnung allein am dreieinigen Gott.


Aus dem 8. "Leben live"-Gottesdienst am 6. Dezember 2003
zum Thema: "Das kannst du dir schenken (lassen)"


Eigentlich freut sich doch jeder über ein Geschenk - oder? Ihr merkt es schon an dem Wörtchen "eigentlich", dass es ganz so einfach doch nicht ist. Das Wort "eigentlich" macht nämlich deutlich, dass das Gesagte nicht absolut, "einfach so" gilt, sondern dass da Einschränkungen dabei sind. Bei einem Satz mit "eigentlich" wartet man förmlich auf das "Aber". Und das Tückische an diesem Wort "eigentlich" ist, dass von Anfang an nicht klar ist, wie groß die Einschränkungen sind und wie viele es gibt. Stellt euch mal vor, eine Aussage trifft 100-prozentig zu, dann brauche ich nicht "eigentlich" zu sagen. Es wäre doch ziemlich unsinnig zu sagen: "Eigentlich ist das eine Lampe." Bei einer 100-prozentigen Aussage ist das klar. Sobald es aber nicht mehr 100 Prozent sind, sondern nur noch 99, sage ich "eigentlich" und hänge die 1 Prozent "aber" dran. Ich sage aber auch "eigentlich", wenn ich 99 Prozent "aber" meine. Mit anderen Worten: Wenn ich sage: " Eigentlich freut sich doch jeder über ein Geschenk", dann kann es nur eine Einschränkung geben, genauso gut aber auch zig Einschränkungen. Die Einschränkungen können so viel und so gewichtig sein, dass die eigentliche Aussage darüber völlig in den Hintergrund tritt.

Der deutsche Sprachwissenschaftler Jacob Grimm (1785-1863), den die meisten von uns von den von ihm zusammen mit seinem Bruder Wilhelm herausgegebenen Märchensammlunen kennen, sagte einmal: "Die wahre Gabe erfreut Geber und Empfänger, weil sie Ausdruck einer persönlichen Bindung ist."

Damit kommen wir der Sache schon eher auf die Spur: Gott als der Geber, als der Schenkende, der uns be-schenkt. Immer ist da die Beziehung im Spiel, die Gott mit seinen Menschen haben möchte. Nur in der Beziehung zu Gott findet unser Leben seine eigentliche Bestimmung. Gott beschenkt uns, weil er eine Beziehung zu uns Menschen möchte.

Nun könnte man hier unzählige Beispiele von Geschenken nennen, die Gott seinen Menschen macht. Martin Luther nennt in seiner Erklärung zum Glaubensbekenntnis einige dieser Dinge: "Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Frau und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit allem, was not tut für Leib und Leben, mich reichlich und täglich versorgt, in allen Gefahren beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahrt ..."

Doch das alles ist wenig im Vergleich zu dem größten Geschenk, das Gott seinen Menschen macht!

"Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht verlorengehen, sondern das ewige Leben haben" (Joh 3,16 HfA) Das ist das größte Geschenk, das es jemals auf dieser Erde gab und auch jemals geben wird: Gott schenkt uns seinen Sohn.

Er tat es aus Liebe. Liebe ist das eigentliche Motiv für alles rechte Schenken. Was nicht aus Liebe geschieht, ist nur wenig wert. Auch ein (vom materiellen Wert her) noch so kleines Geschenk kann für Liebende einen unendlich großen Wert haben.

In seiner grenzenlosen Liebe zu seinen Menschen wollte Gott nicht tatenlos zuschauen, wie seine Menschen zugrunde gehen und sich selbst zugrunde richten. Er gab seinen Sohn her. "Schenken heißt, einem anderen das geben, was man selber gern behalten möchte", so sagte es einmal die schwedische Schriftstellerin Selma Lagerlöf (1858-1940).

Der eine Sohn Gottes, der schon immer bei Vater war, musste die himmlische Herrlichkeit verlassen, musste klein, unscheinbar, angreifbar werden. Denn es gab keinen anderen Weg und keine andere Möglichkeit, die zerstörte Beziehung zu Gott wiederherzustellen.

Gott gab seinen Sohn her, und das, obwohl er wusste, was ihn erwarten würde, obwohl er wusste, dass sein Weg ein Weg des Leidens würde und er schließlich gar getötet würde. Dieses Geschenk, das Gott seinen Menschen machte, ist so groß und unbezahlbar, dass wir es einfach nicht begreifen können. Es war kein so schnell dahingeworfenes Geschenk, sondern dieses Geschenk war wohl ausgewählt und in allen Konsequenzen von Gott bedacht. Gott wusste, was er tat, und er wusste, was er seinem Sohn zumutete.

Gottes Liebe zu seiner verlorenen Welt, zu seinen verlorenen Menschen war stärker, war größer als der Wunsch, seinen Sohn auch weiter bei sich zu haben, geborgen bei ihm. Jesus, dieser Name ist Programm: "Gott rettet". Nun sollte er seinen Auftrag als Retter der verlorenen Menschen ausführen. Der Zeitpunkt war nicht dem Zufall überlassen, sondern entsprach genau Gottes Zeitplan: "Zu der von Gott festgesetzten Zeit sandte er seinen Sohn zu uns. Christus wurde wie wir als Mensch geboren und den Forderungen des Gesetzes unterstellt. Er sollte uns befreien, die wir Gefangene des Gesetzes waren, damit Gott uns als seine Kinder annehmen konnte" (Gal 4,4f).

Deswegen kam Jesus in unsere Welt. Gottes Geschenk an uns, sein Sohn Jesus, ist zugleich die größte und ultimative Rettungsaktion der Weltgeschichte, und diese ist noch in vollem Gange. "Ultimativ", das ist hier nicht nur im Sinne einer "Jugendsprache" zu verstehen, sondern wortwörtlich, nämlich: die "äußerste" Rettung. Und das heißt: Wer diese Rettung verpasst, der ist nicht mehr zu retten! Dem ist nicht mehr zu helfen. Wie gesagt: Die Rettungsaktion Gottes läuft weiter. Was Jesus durch sein Leben, sein Leiden und Sterben bewirkt hat, das gilt nach wie vor. Wer an ihn glaubt, wer sein Vertrauen auf ihn setzt, der kommt wieder in die Verbindung mit dem lebendigen Gott. Jesus ist ja nicht im Tod geblieben, sondern auferstanden, und das heißt: Er lebt heute, und du kannst heute ihn in dein Leben einladen, du kannst heute dieses Geschenk, das Gott dir macht, annehmen.

Über so ein Geschenk kann man sich doch freuen - oder? Da müsste doch jeder Luftsprünge machen! Ja, mein Leben hat einen Sinn und ein Ziel. Mein Leben er-schöpft sich nicht in den paar Jährchen, die mir hier auf der Erde gegönnt sind, sondern hat Ewigkeitsperspektive, und: Das Schönste und Beste kommt noch!

Bei Gottes Geschenk, seinem Sohn Jesus, gibt es kein "eigentlich" und kein "aber" . Es ist ein Geschenk aus reiner Liebe. Es ist ein Geschenk, das Lebens-notwendig ist. Es ist ein Geschenk ohne jede Berechnung.

Deshalb: Gott sei Dank, dass er uns seinen Sohn Jesus, das größte Geschenk aller Zeiten gegeben hat! Gott, der seinen eigenen Sohn Jesus nicht verschont hat, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? (Römer 8,32)


Aus dem 21. "Leben live"-Gottesdienst am 21. Januar 2006
zum Thema: "Bereit zum Abholen! - Zum Abholen bereit?"


Eine nette Geschichte ist das: vom Herrn Schmidt, der in den Himmel kommt.

"Wie würdest du dich fühlen, wenn du herausfindest, dass Gott dir heute eigentlich 23-mal in ganz konkreten Belangen deines Leben Segen zukommen lassen wollte, dass aber nur einmal wirklich etwas davon bei dir angekommen ist?"

Das kann dann tatsächlich daran liegen, dass du von Gott nichts erbeten hast, dass du von ihm vor allem nichts erwartet hast.

Natürlich leben wir alle davon, dass Gott uns unendlich mehr gibt, als wir von ihm erbitten. Keine Sekunde könnten wir leben, wenn das nicht so wäre. Ausdrücklich sagt Jesus das, bevor er seine Jüngern das Mustergebet schlechthin, das Vaterunser, lehrt. Er sagt: "Euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet" (Matthäus 6,8). Und Paulus erinnert uns im Epheserbrief daran, dass Gott "überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen" (Epheser 3,20), ein Gedanke, der übrigens gleich in drei Liedern unseres Gesangbuches vorkommt (EG 224,3; 241,8; 408,3).

Es schmälert keineswegs unser Denken und Staunen über Gott und seine Größe und Fülle, wenn wir uns das klar machen - im Gegenteil: Wenn wir all das Gute, das wir tagtäglich erleben dürfen, nicht als etwas Selbstverständliches ansehen, das uns ja ohnehin zustehe, sondern darin gerade Gottes Güte und Barmherzigkeit erkennen, dann hilft uns das, dankbar zu werden und nicht erst an Gott zu denken, wenn es uns nicht so gut geht. Denn dann denken viele an Gott, auch Leute, die ihn sonst ganz "links liegen lassen", aber leider meist anklagend mit der Frage: "Warum?" Wir sollten mehr und mehr lernen, den Geber hinter allen guten Dingen zu erkennen."Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis" (Jakobus 1,17).

Und nun kommt das große Geheimnis des Segens Gottes: Obwohl Gott "über Bitten und Verstehen" gibt, will er trotzdem gebeten werden. Gott braucht nicht unser Gebet für sich selber, aber er will, dass unser Kontakt zu ihm lebendig bleibt, dass wir mit ihm reden, weil er weiß, dass wir das brauchen. Er will, dass wir merken, dass nicht wir selber alles können und vermögen, sondern dass wir tatsächlich in jeder Hinsicht von ihm abhängig sind. Deshalb will Gott, dass wir ihn bitten: "Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan" (Matthäus 7,7). Und so kann Jakobus den Christen ins Stammbuch schreiben: "Ihr … habt nichts, weil ihr nicht bittet" (Jakobus 4,2). Ist es bei dir so?

Noch einmal zur Geschichte von Herrn Schmidt, der in den Himmel kam. Damit wir nicht auch einmal in diese Situation kommen, müssen wir zum Abholen bereit werden. So viele Segnungen im Himmel liegen für uns bereit zum Abholen. Das ist gemeint mit: "Bereit zum Abholen!" Sprachlich handelt es sich hier eigentlich um ein verstecktes Passiv. Genau müsste man eigentlich sagen: "Bereit zum Abgeholt- Werden" oder "bereit, abgeholt zu werden". Wichtig ist nun aber das Aktiv: "bereit zum Abholen": Sind wir bereit, aus den weißen Päckchen mit der roten Schleife auch immer wieder das abzuholen, was Gott uns zugedacht hat?

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht einen gesegneten Sonntag!