48. "Leben live"-Gottesdienst, 17. Juli 2010
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart.
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Themenpredigt: "Zufrieden mit mir selbst - Wie geht das?"

Es gilt das gesprochene Wort!



Nach dem Motto "Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast" lasst uns doch noch einmal zwei Statistiken anschauen. Wie weit Statistik im Allgemeinen und Wirklichkeit im Konkreten auseinanderliegen können, lässt sich an einem ganz einfachen Sachverhalt klarmachen. Heute Abend müssten mindestens 8 Chinesen unter uns sein (oder 10 oder 12?). Denn statistisch betrachtet, ist knapp jeder 5. Mensch auf der Erde (exakt 19,7 %) ein Chinese. Zählen wir doch noch mal durch …

Wie zufrieden sind die Deutschen? Bei allen Detailstatistiken zur Zufriedenheit über dies und jenes fällt auf, dass es insgesamt mehr Zufriedenheit gibt, als ich geahnt und auch vermutet hätte.

Bundesbürger ab 18 Jahren wurden gebeten, ihre gegenwärtige Zufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn zu beschreiben. Auf dieser Skala von ‚0' "ganz und gar unzufrieden" bis ‚10' "ganz und gar zufrieden" bewegen sich die meisten Deutschen (nämlich 51 %) auf den Werten ‚7' und ‚8', also deutlich über dem Durchschnitt, weitere 14 % belegen sogar die Werte ‚9' und ‚10'. 24 % sind mit den Werten ‚5' und ‚6' durchschnittlich oder leicht überdurchschnittlich zufrieden. Nur 10 % der Deutschen sind tendenziell eher unzufrieden mit ihrem Leben.

Eine andere interessante Frage ist, was eigentlich einen Menschen zufrieden oder glücklich macht. 1200 Menschen wurden befragt, was für sie am meisten zum persönlichen Glück beiträgt. An der Spitze der Zufriedenheitsfaktoren steht die Gesundheit, gefolgt von Partnerschaft und Familie. Der Glaube als Zufriedenheitsfaktor wird nur von 25 % der Befragten genannt und rangiert damit noch einmal deutlich hinter dem "Gutes tun", das ja immerhin auch eine Folge des Glaubens sein kann.

Nun kann man natürlich auch selbst einmal auf statistische Beobachtungen gehen. Wenn du z. B. eine Feier hast oder zu einer Feier gehst - dann vergleiche mal den Anteil der Unterhaltungen, die sich um unzufrieden Machendes drehen und den Anteil der Unterhaltungen, die sich um Dinge drehen, die zufrieden machen. Oder nimm einmal die Menschen wahr, die dir einen Tag oder eine Woche lang begegnen - begegnen dir mehr Menschen, die zufrieden sind, oder mehr Menschen, die unzufrieden sind?

Oder mache doch mal einen Selbstversuch: Kontrolliere mal selbst einen Tag lang, was du redest und was du denkst. Neigst du mehr zur Zufriedenheit oder mehr zur Unzufriedenheit? Ihr seht, dass man wie bei vielen anderen Lebensthemen auch, diese nicht distanziert bei anderen betrachten kann ohne selbst auch einen Blick in die eigene Seele und in das eigene Leben zu tun. Nun stellt sich zunächst die Frage: Welche Faktoren tragen dazu bei, dass Menschen (natürlich auch man selbst) zufrieden sind oder nicht?

Interessant ist bei den erwähnten Statistiken im Internet, dass ein gewichtiger Punkt zur Zufriedenheit das Gelingen des eigenen Lebens ist, allerdings nicht in ethischer Hinsicht, sondern in rein materieller Hinsicht. Und hier ist meine Grundskepsis gegenüber den Statistiken. Es werden ja Menschen befragt, die eine Antwort nur aus der gegenwärtigen Befindlichkeit geben können, also quasi eine Augenblicksaufnahme wie bei einer Fotografie. Genau dieselben Menschen fünf Jahre später befragt könnten durchaus eine ganz andere Statistik abgeben. Das heißt, alles, was wir über Zufriedenheit heute erfahren können, kann morgen oder bei Veränderung der äußeren Konstellationen der Befragten schon wieder hinfällig sein.

Bevor ich mit euch darüber nachdenken will, unter welchen Bedingungen Zufriedenheit im eigenen Leben Lebensimpuls sein kann, ein Blick in die Bibel.

Die Bibel zeigt uns einen sehr spärlichen Befund zum Thema. Da gibt es lediglich im Psalm 116 einen Vers, wo es heißt: "Sei nun zufrieden, meine Seele" und in Lukas 3,14, wo Johannes der Täufer, Soldaten, die ihn fragen, was sie tun müssen um ein gottesfürchtiges Leben zu führen, antwortet: sie sollen niemanden erpressen und mit ihrem Sold zufrieden sein. Sehr viel mehr finden wir zum Thema "Zufriedenheit" nicht. Warum? Ist Zufriedenheit in den Augen Gottes kein ethischer Wert, der von den Menschen zu lernen und zu leben ist?

Wohl kaum. Die Bibel zeigt uns ein Stück, dass es nicht Gottes Art ist, plakativ mit Forderungen nach Werten, Normen und Lebensregeln aufzukreuzen, sondern dass er stattdessen tiefer auf Zusammenhänge im menschlichen Leben und in der menschlichen Seele hinweist. Das hat ganz besonders Jesus in seinen Predigten, Handlungen und heilenden Begegnungen mit Menschen immer wieder ganz deutlich gezeigt. Wenn wir uns dabei die beiden genannten Bibelstellen anschauen, dann stellen wir etwas fest, nämlich einen gravierenden Unterschied des Verständnisses von Zufriedenheit, die von den Statistiken widergespiegelt wird, und wie die Bibel Zufriedenheit sieht.

Die Statistiken sagen: Zufriedenheit ist dann angesagt, wenn mir das, was ich mir für mein Leben vornehme und vorgestellt habe, gelingt. Vers 7 des erwähnten Psalms 116: "Sei nun wieder zufrieden, meine Seele." in Verbindung mit Lukas 13: "Sei mit deinem Sold zufrieden" gibt eine völlig andere Denkrichtung vor: Zufriedenheit im Sinne von "zum Frieden kommen" mit dem, was du hast, mit dem, was dir gegeben ist, mit dem was du bist. Das hört sich ganz anders an, als die Zufriedenheit der Statistiken, durch die oft nur die materielle Sehnsucht nach der Erfüllung der persönlichen Lebensziele abgefragt wird. Die Bibel gibt uns hier einen sehr wichtigen, aber auch sehr realistischeren Blick auf die Lebensbefindlichkeit des Menschen, als das Statistiken vermögen. Es gibt keine Zufriedenheit, wenn der Mensch über das, was seine gegenwärtige Realität im Leben ist, nicht zum inneren Frieden kommt. Und dieser innere Frieden - der ist echte Zufriedenheit. Das kannst du an der Beobachtung von Menschen prüfen. Denke mal an einen Menschen, der mit der Realität und der Gegenwart seines Lebens nicht zufrieden ist, der mosert, mault und meckert - diese Menschen strahlen Friedlosigkeit und seelische Unruhe aus. Und dann denke mal an einen Menschen, von dem du den Eindruck hast, dass er in sich ruht und eine große Zufriedenheit ausstrahlt. Diese Menschen sind oft nicht besser dran im Leben - aber sie sind innerlich zum Frieden über ihr Leben gekommen.

Wie können wir nun so einer Zufriedenheit, die auch ausstrahlt, kommen? Wie kann Zufriedenheit als Lebensimpuls ein Schlüssel werden, mit dem wir Gott in unseren Lebensräumen näher kommen?

[ Lebensbild: Margarethe Steiff ]

Zufriedenheit als wichtiges lebensstabilisierendes Element hat mindestens drei wichtige Denkrichtungen:

(1.) Frieden mit sich selbst und seiner eigenen Lebenssituationen schließen,
(2.) einen inneren Frieden mit anderen Menschen schließen
(3.) und zum Frieden mit Gott kommen.

(1.) Frieden mit sich selbst und mit der eigenen Lebenssituation: mache dir bewusst, dass du nie jemand anderes sein kannst als der Mensch, der du nun mal bist. Du hast Begabungen. Du hast Prägungen. Du hast aber auch Grenzen und Schwächen. Diese Begabungen und Grenzen, die dir Gott für dein Leben geben hat - und zwar mit einer ganz bestimmten Absicht - formen deine Lebenswirklichkeit, egal wie rosarotpink du dir dein Leben geträumt hast. Daher ist es absolut wichtig für die Zufriedenheit über uns selbst und unser Leben, dass wir nicht die Messlatte bei "Was ist mir von meinem Träumen gelungen?" anlegen. Sondern erst wenn wir die Fragerichtung: "Was hat sich Gott für mein Leben gedacht?" für uns bedenken und dabei akzeptieren, dass Gott durchaus auch andere Gedanken hat, als ich selbst, dann ist es möglich, zum Frieden zu kommen. Wenn ich in meiner Lebensorientierung meine Begabungen und Grenzen außer acht lasse, das heißt wenn ich außer acht lasse, was Gott in mich hineingelegt und wo er mich begrenzt hat, dann werde ich nie zufrieden sein. Aber dort wo ich mit meiner Lebensorientierung auf Gott achte und die Übereinstimmung der eigenen Gedanken mit Gottes Gedanken für mein Leben suche, dort werde ich immer zum Frieden kommen.

Paul Gerhardt, der evangelische Pfarrer und Liederdichter, der sehr viel Not erlitten hat (Dreißigjähriger Krieg: Pesttote, vier Kinder und Ehefrau gestorben, Widerstände und Bedrängniss im Pfarramt) und dem wir vor gut drei Jahren einen eigenen "Leben live"-Gottesdienst gewidmet haben, hat gedichtet:


Gib dich zufrieden und sei stille
in dem Gotte deines Lebens!
In ihm ruht aller Freuden Fülle,ohn ihn mühst du dich vergebens;
er ist dein Quell und deine Sonne,
scheint täglich hell zu deiner Wonne.
Gib dich zufrieden!


(2.) Frieden mit anderen Menschen schließen, das heißt zur Zufriedenheit darüber kommen, dass Menschen nicht immer so sind, wie ich mir das wünsche. Unser Leben wird maßgeblich von den menschlichen Beziehungen geprägt und bestimmt. Das fängt in der Ehe an, setzt sich in den Beziehungen mit den Kindern, mit den Eltern und Großeltern fort, mit Beziehungen in der Verwandtschaft, auf der Arbeit, in der Schule, in der Nachbarschaft, im Freundeskreis usw. Leider sind manche Beziehungen davon geprägt, dass man einander nicht leiden kann - aus diesem oder jenem ersichtlichen oder nicht ersichtlichen Grund. Und leider ist es nun mal so, dass auch manche gute Beziehung manchmal unter Beziehungsstörungen leidet.

Zur Zufriedenheit über menschliche Beziehungen zu kommen geht über den Weg der Akzeptanz und der Nächstenliebe. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass nicht nur ich Begabungen und Grenzen habe, sondern dass auch jeder Mensch, mit dem ich in irgendwelchen Beziehungen stehe, Begabungen und Grezen hat. Das heißt, ich muss akzeptieren, dass ein anderer Mensch andere Schwerpunkte setzt in seinem Leben, andere Denkweisen hat, andere Lebenserfahrungen. Das zu akzeptieren und zu tolerieren ist ein Weg zum inneren Frieden mit Menschen zu kommen.

[ Lied: Schritte wagen ]

(3.) Und der letzte und wichtigste Punkt: Zufriedenheit im eigenen Leben wird hauptsächlich dadurch bestimmt, ob ich zu einem inneren Frieden mit Gott gekommen bin. Das ist über all das, was einem im Leben widerfährt, was einen angesichts dieser Weltzustände zu schaffen macht, was einen im Blick auf all die Ungereimtheiten im eigenen Leben immer wieder ins Grübeln treibt, der schwerste Weg. Aber es gibt keinen anderen Weg zu einer Lebenszufriedenheit zu kommen, als seinen Frieden mit Gott zu schließen. Um dahin zu kommen, ist es wichtig, Gott einzuräumen, dass er für alles, was mir im Leben schwer fällt zu akzeptieren, seine eigenen Gedanken hat, die weit über das in meinem Leben hinaussehen, als was ich überblicken kann.

Der Apostel Paulus berichtet einmal von einem "Stachel im Fleisch" (Luther übersetzt "Pfahl im Fleisch"), unter dem er leidet. Er schreibt: "Ich habe unbeschreibliche Dinge geschaut. Aber damit ich mir nichts darauf einbilde, hat Gott mir einen ›Stachel ins Fleisch‹ gegeben: Ein Engel des Satans darf mich mit Fäusten schlagen, damit ich nicht überheblich werde" (2. Korinther 12,7 GNB). Und dann weiter: "Dreimal schon habe ich Gott angefleht, mich davon zu befreien. Aber er hat zu mir gesagt: ›Meine Gnade ist alles, was du brauchst! Denn gerade wenn du schwach bist, wirkt meine Kraft ganz besonders an dir‹" (V. 8+9 HfA). Bis heute gibt es unzählige Spekulationen darüber, worum es sich dabei gehandelt haben könnte: eine körperliche Krankheit, vielleicht Augenkrankheit, Epilepsie …? Das alles ist nichts weiter als Vermutung, Spekulation. Allein schon, ob es überhaupt um eine Krankheit gehandelt hat, darf getrost bezweifelt werden … Ich glaube, es ist gut, dass wir nicht wissen, was genau der "Pfahl im Fleisch" des Paulus war. Denn dann kann sich jeder darin wiederfinden. Der "Pfahl im Fleisch" ist nämlich für jeden Menschen etwas anderes … Denk doch mal darüber nach …

Und doch gilt allen die tröstliche Zusage, die Gott selber dem Paulus gegeben hat: "Meine Gnade ist alles, was du brauchst! Denn gerade wenn du schwach bist, wirkt meine Kraft ganz besonders an dir."

Es ist wichtig, Gott zum gedanklichen Bezugspunkt des eigenen Alltags zu machen, ihn zu bitten den jeweils gegenwärtigen Tag zu führen und zu leiten. Dann kann ich am Abend das, was gewesen ist, als den heutigen Weg Gottes mit mir abschließen und zum Frieden kommen über das, was vielleicht nicht gut war, was mir nicht gelungen ist oder was gescheitert ist. Zum Frieden mit Gott kommen über so einen Tag heißt dabei nichts anderes als, ich leg diesen Tag in Gottes Hände zurück, entlaste mich selbst von diesem Tag, indem ich sage: "Gott wird alle Dinge zum Besten führen." - ich kann das nicht.

Zufriedenheit ist nicht erst dann ein Lebensimpuls, wenn ich über mein Leben zufrieden sein kann, sondern schon dann, wenn ich über mein Leben zum Frieden gekommen bin. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Zufriedenheit im Blick auf Gott ist also eine wechselseitige Frage: Menschen, die zufrieden sind, sind auch innerlich näher an Gott dran. Und wer näher an Gott dran ist, wird im oben beschriebenen Sinne auch zufrieden sein können, "zum Frieden gekommen" sein können. Und das wünsche ich euch allen als tägliche Lebenserfahrung und Lebensstärkung.

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht einen gesegneten Sonntag!