Themenpredigt: "Alt und Jung - Zwei Welten stoßen aufeinander"
Es gilt das gesprochene Wort!
In der Gemeinde geht es ähnlich zu wie in einem
Familienauto mit nur einem Radio, in dem sich die Eltern und zwei Jugendliche auf den
langen Weg nach Kroatien machen. Wer darf bestimmen, welcher Sender gehört wird?
Wer hat das Sagen? Alle wollen einen schönen Urlaub. Alle wissen: Es ist Gottes
Wille ist, dass Jung und Alt in der Familie oder Gemeinde zusammen leben sollen. Die
Frage ist nur: wie? Ist das überhaupt möglich? Ist es nicht besser, wenn
Alt und Jung getrennt werden? Sollte man die Gemeinde nicht in Jugend- und Seniorenkirchen
aufteilen? Dann brauchte man keine Rücksicht aufeinander zu nehmen und jeder könnte
so bleiben, wie er ist.
Generation - je nachdem wozu man sich altersmäßig
zählt, wird die Beurteilung etwas anders ausfallen. Früher lebten drei Generationen
unter einem Dach - manchmal sogar vier. Natürlich hat man sich aneinander gerieben.
Das war nicht immer einfach. Aber das Wort der Alten galt noch etwas. Kinder und Enkelkinder
haben sich untergeordnet. Man hat voneinander gelernt und das Leben geteilt. Und mit
der Oma war auch immer ein praktischer Babysitter im Haus.
Ein solches Miteinander gibt es heute in dieser Form
so gut wie nicht mehr.
Das Zusammenleben der Generationen hat sich in den
letzten 50 bis 100 Jahren stark verändert. Das hat verschiedene Gründe:
a) Aufgrund der Individualisierung lebt heute jede
Generation viel stärker für sich. Wenn die Kinder groß sind, gehen
sie oft aus dem Haus - und damit hat sich der Kontakt zu den Eltern gelockert. Selbst
wenn man räumlich noch ganz in der Nähe wohnt, geht jede Generation seine
eigenen Wege.
b) Durch die Pluralisierung hat sich vieles verändert.
Es gibt so viele Meinungen, Wertvorstellungen, Anschauungen, Lebenskonzepte. Jeder
darf und muss sich seine eigene Meinung bilden. Da haben die Alten nicht mehr automatisch
Recht. Im Gegenteil. Warum sollte man sich an Traditionen binden, jeder kann doch leben,
wie er will? Man lässt sich doch nichts vorschreiben von seinen Eltern.
c) Aufgrund der Technisierung hat sich das Leben junger
Menschen völlig verändert. Digicam, E-Mail, Handy, Weblog - meine Großeltern
kämen schon lange nicht mehr hinterher. Und dass meine Großeltern noch kein
Telefon hatten, als sie sich befreundet haben, ist uns heute unvorstellbar.
d) Die heutige Mobilität ist auch noch etwas,
was die Lebenswelt der Generationen unterscheidet. Ein 100 km entfernter Arbeitsplatz
und jeden Tag pendeln? Aus beruflichen Gründen alle paar Jahre umziehen? Im Urlaub
durch die halbe Welt. Das konnte und brauchte man früher nicht.
Wir sehen, die Rahmenbedingungen für das Zusammenleben
der Generationen haben sich stark verändert. Deshalb gibt es so viel Konfliktpotential
zwischen Jung und Alt. Die junge Generation muss sich in den veränderten Verhältnissen
zurechtfinden. Die alte Generation muss akzeptieren, dass es heute einfach anders ist.
Das ist nicht immer einfach - für alle Beteiligten. Und so wird aus dem Miteinander
oft ein Gegeneinander. Oder aber zumindest ein Nebeneinanderher. Das gibt es wohl mindestens
genauso oft wie das gegeneinander. Weil es mit dem Miteinander schwierig ist, geht
man sich aus dem Weg und lebt nebeneinander her. Die Jugendlichen leben ihr Leben für
sich - die mittlere Generation lebt ihr Ding - und die Alten bleiben, je älter
sie werden, einsam auf der Strecke.
Miteinander - Gegeneinander - Nebeneinander
Gehen wir einen Schritt weiter und fragen, was die
Bibel zum Zusammenleben der Generationen zu sagen hat.
1. Die Bibel würdigt alle Generationen
Kinder, die Alten, die mittlere Generation - alle sind
gleich wichtig und gleich viel wert. Gott hat keine Lieblingsgeneration. Im Gegenteil:
Vor ihm sind alle gleich viel wert. Da beauftragt Gott den Mose, um sein Volk aus der
Sklaverei Ägyptens herauszuführen. Wie alt war Mose? 25? 40? 65?
Nein, 80 Jahre war er alt. Und Gott benutzt diesen
rüstigen Rentner mit seiner ganzen
Lebenserfahrung (der übrigens bis zu diesem Zeitpunkt
noch fleißig seinen Beruf ausübte und die Schafe hütete). So wundert
es nicht, dass in der Bibel zu lesen ist: "Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren und sollst
dich fürchten vor deinem Gott; ich bin der Herr" (3. Mose 19,32).
Doch Gott gibt nicht grundsätzlich den Alten den
Vorzug. Da gibt es zum Beispiel den jungen David oder den jungen Timotheus, dem Paulus
den Mut machenden Satz schreibt: "Niemand
verachte dich wegen deiner Jugend; du aber sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort,
im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit" (1. Timotheus 4,12).
Gott beruft und beauftragt diese jungen Männer
ebenfalls. Man muss nicht immer alt und erfahren sein, um von Gott eingesetzt zu werden.
Ich denke auch an den Teenager Daniel. Mit ca. 15 Jahren wird er ins Exil verschleppt
und Gott bewahrt und gebraucht ihn in der Fremde.
Und auch die Kinder, die in der damaligen Zeit nicht
so sehr viel galten, stehen bei Gott hoch im Kurs. Gegen die Meinung seiner Jünger
sagt Jesus ausdrücklich: "Lasst die Kinder zu mir kommen!"
Im Lukasevangelium heißt es: "Sie brachten auch kleine Kinder zu ihm, damit er sie
anrühren sollte" (Lukas
18,15). Hier steht im griechischen Urtext bréphä, das heißt "Säuglinge",
"Babys"!
Vor Gott sind alle Generationen gleich viel wert.
Jedes Alter wird von ihm gewürdigt. Das sei als
erstes vorausgeschickt.
Als zweiten Punkt verweise ich auf einen Bibelvers.
In Römer 12,10 sagt Paulus: "Einer
komme dem anderen in Ehrerbietung zuvor."
Wenn wir um die Würde der anderen Generationen
wissen, dann gehen wir auch in Respekt und Ehrfurcht miteinander um. "Einer komme dem anderen in Ehrerbietung zuvor."
a) Diese Aufforderung von Paulus bezieht sich eigentlich
ganz grundsätzlich auf das Miteinander der Menschen. Aber das gilt natürlich
auch insbesondere für die verschiedenen Generationen.
b) Einander in Ehrerbietung zuvor kommen. Kennt ihr
zuvorkommende Menschen? Solche Menschen sind wunderbar! Da will man z. B. schwer beladen
eine Tür öffnen und der zuvorkommende Mensch hilft einem, ohne dass man ihn
darum bitten muss. Er erkennt die Situation und ist zur Stelle, ohne das man ihn lange
bittet. Zuvorkommend - das heißt: "Ich habe den anderen im Blick. Ich sehe,
was er braucht und übernehme Initiative. Ich tue etwas, ohne dass mich der andere
um etwas bitten muss. Ich komme ihm zuvor." Einer komme dem anderen in Ehrerbietung
(man könnte auch sagen "in Respekt") zuvor. Das Zusammenleben der Generationen
würde ganz anders aussehen, wenn wir viel mehr einander zuvorkommen würden.
Wenn wir dem anderen abspüren, was er braucht und dann einander zuvorkommen. Beim
Zuvorkommen muss man natürlich eigene Bedürfnisse und Wünsche zurückstecken.
Aber das fällt nicht so schwer, wenn man selber zum Beschenkten wird, wenn andere
einem auch zuvorkommen.
c) In Ehrerbietung einander zuvorkommen
Im Gemeindeleben
bedeutet das z. B., dass die jüngere Generation auch mal gerne einen alten Choral
singt. Und das heißt für die Älteren, beim modernen Lied nicht gleich
die Nase rümpfen sondern versuchen, mitzusingen.
d) "Einer
komme dem anderen in Ehrerbietung zuvor." (Römer 12,10). Das gilt auch für zu Hause.
Für die Familie. Wann bin ich das letzte Mal meiner
Mutter oder meinem Vater, meiner Tochter, meinem Sohn in Ehrerbietung zuvorgekommen?
Wie gerne pochen wir auf unser Recht. Der andere ist an der Reihe - nun soll er mal
machen. "Einer komme dem anderen in Ehrerbietung zuvor." In diesem Bibelwort
steckt sehr viel Weisheit und Lebenserfahrung.
3. Noch ein dritter Gedanke zu dem, was die Bibel zum
Generationenkonflikt sagt: Christen leben in neuen Verwandtschaftsverhältnissen.
a) Jesus hat einmal Besuch von seinen Brüdern
und von seiner Mutter bekommen. Sie wollten mit ihm sprechen und kamen, als er gerade
am Predigen war. Jemand weist Jesus darauf hin: "Deine Brüder und deine Mutter
sind da, sie wollen mit dir reden." Und dann gibt Jesus eine merkwürdige
Antwort. Er deutet auf seine Jünger und sagt: "Das hier sind meine Mutter
und meine Brüder. Denn wer tut, was mein Vater im Himmel will, der ist mein Bruder,
meine Schwester und meine Mutter."
b) Das ist radikal. Jesus sagt hier, dass die Mitchristen
aus der Gemeinde wichtiger sind, als die eigenen Eltern und Geschwister.
c) Das ist ganz schön herausfordernd: Nicht unsere
Abstammung und Familienzugehörigkeit, sondern der gemeinsame Glaube bestimmt unser
Miteinander. Und das geht quer durch alle Generationen. Egal ob 70-jähriges oder
17-jähriges Gemeindeglied. Wir gehören zusammen. Wir sind füreinander
verantwortlich. Unsere Bindung zueinander soll stärker sein, als die zu unseren
leibhaftigen Verwandten. Die Verbundenheit durch die Taufe und den Glauben an Jesus
Christus ist größer als die Blutsbande. Als Christ leben wir in neuen Verwandtschaftsverhältnissen.
d) "Nun ja", mag jemand denken. "Das
klingt ja alles schön und gut. Mir ist nicht neu, dass wir als Generationen miteinander
leben sollen. Aber was ist, wenn das Miteinander der Generationen einfach nicht klappt?
Egal, ob in der Gemeinde oder zu Hause in der Familie. Ich lebe in so vielen generationsübergreifenden
Beziehungen, die einfach nicht funktionieren. Das ist wirklich Kampf und Krampf. Was
kann man in einer solchen Situation tun?"
Folgendes möchte ich zu bedenken geben, wenn es
einfach nicht klappt mit dem Miteinander der Generationen.
Ein paar praktische Impulse bei Problemen im Miteinander:
a) Nicht alle Probleme zwischen Generationen sind Generationsprobleme.
So manche Macke ist auch für jemanden aus derselben
Generation ein Problem. Man darf also nicht immer alles auf den Altersunterschied schieben.
Oder im familiären Bereich spielen neben Generationsproblemen oft noch andere
Dynamiken eine Rolle. Dass man ein Problem mit der Schwiegertochter hat, liegt meistens
nicht nur am Altersunterschied.
b) Gib den anderen nicht auf.
Man kommt ja relativ schnell an den Punkt, an dem man
den anderen aufgibt. Dann hat man ihn oder sie gefressen. Die Person ist in einer Schublade
und kommt nicht mehr raus. Man gibt den anderen auf. Dieses Verhalten ist nicht biblisch.
Gott ist anders. Zum Glück, denn dann hätte er mich auch schon längst
aufgegeben. Aber so, wie Gott mich und dich nicht aufgibt, so sollen wir den anderen
auch nicht aufgeben. Jesus sagt, wir sollen einander nicht nur 7-mal, sondern 70-mal
7-mal vergeben. Das ist ganz schön oft und ganz schön schwer. Aber Gott kann
einem die Kraft dazu geben, eine Person, mit der man so seine Probleme hat, nicht aufzugeben.
c) Suche das Positive im anderen.
Hast du gerade eine Person aus einer anderen Generation
vor Augen, mit der du so deine Probleme hast? Aus der Familie oder aus der Nachbarschaft?
Es mag vieles geben, was dich an diesem Menschen stört - aber bewahre dir auch
den Blick für das Positive im anderen, was es garantiert gibt. Sieh nicht nur
auf das, was dich stört, sondern suche auch das, was dich fasziniert. Was dir
imponiert. Was diese Person geleistet oder ertragen hat.
d) Hole Hilfe von außen ein.
Wenn es z. B. immer Schwierigkeiten mit den Schwiegereltern
gibt, dann ist es sicherlich hilfreich, mal mit einem Unbeteiligten zu reden. Es hilft,
die Situation mit einer neutralen Person zu reflektieren. Man bekommt auf diese Weise
etwas Abstand und kann vielleicht manches besser wahrnehmen, einordnen und nachvollziehen.
e) Manchmal muss man den anderen einfach ertragen.
Es gibt Situationen oder auch Menschen, die muss man
einfach mit ganz viel Liebe und Geduld ertragen. Das ist eine große Herausforderung
- aber, wie gesagt, manchmal hat man keine andere Wahl. Es gibt Menschen, die wird
man nicht mehr ändern. Oder es gibt Situationen, in denen ich selber nicht die
Person bin, die etwas ändern kann. Ich denke zum Beispiel an Eltern mit heranwachsenden
Kindern. Manches müssen Kinder selbst erfahren. Man kann sie als Eltern nicht
vor allem bewahren. Und wenn sie dann in eine falsche Richtung rennen, dann sollten
wir sie trotzdem tragen und lieb behalten.
f) Mit Gottes Möglichkeiten rechnen.
Jesus sagt: "Mir ist gegeben alle Macht im Himmel
und auf Erden." Wenn Jesus so mächtig ist, dann kann er auch in deine verfahrene
Situation hineinwirken. Vielleicht glaubst du nicht an Gott. Zumindest nicht so konkret.
Ich glaube an die Macht Jesu. Ich glaube, dass Gott auch in verfahrene Generationskonflikte
hineinwirken kann. Dass er Versöhnung und Veränderung bewirken kann. Deshalb
ist das Gebet für die Situation und für den anderen etwas ganz Wichtiges.
Wenn du wirklich willst, dass sich eine Situation ändert, dann bete für die
Person. Und wenn du schon angefangen hast zu beten, dann höre nicht auf, sondern
bete weiter. Rechne mit Gottes Möglichkeiten.
g) Du bist nicht unbedingt für das Scheitern einer
Beziehung verantwortlich.
Zum Gelingen einer Beziehung bedarf es immer zwei Personen.
Zum Scheitern genügt eine Person - und das bist ja vielleicht gar nicht du. Wenn
die andere Person dir keine Hand reichen will, obwohl du um Vergebung gebeten hast
oder bereit bist zu vergeben, dann kannst du unter Umständen nichts machen, außer
zu warten und zu beten, dass sich etwas an der Situation ändert.
So weit einige Impulse zu der Frage, was man machen
kann, wenn es absolut nicht klappt zwischen den Generationen.
Das Einüben eines guten Miteinanders von Alt und
Jung in der Gemeinde ist jedenfalls jeder Mühe wert. Gelingendes Miteinander kann
ein Zeichen für Menschen sein, die Jesus nicht kennen. Denn Jesus hat es unmissverständlich
gesagt - gewiss nicht nur, aber auch im Blick auf das Miteinander der Generationen:
"Ein neues Gebot gebe ich euch,
dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander
lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr
Liebe untereinander habt" (Johannes
13,34f).
Die Kirchengemeinde
Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht einen gesegneten Sonntag!
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