45. "Leben live"-Gottesdienst, 23. Januar 2010
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
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Themenpredigt: "Neid vergiftet Lebensglück"

Es gilt das gesprochene Wort!



Ein äußerst hintersinniges Anspiel zum unserem Thema "Neid vergiftet Lebensglück". Da ist der Mann neidisch auf seine Frau, weil sie das Kreuzworträtsel aus dem Effeff lösen kann, anfangs zumindest. [Liedeinspielung: "Was hat sie, das ich nicht habe …?"] Mit dem "emotionalen Verübeln der Besserstellung anderer" kommt auch sie nicht weiter: "Keine Ahnung." Dann der Neid auf die Nachbarn, auf die Meyers und die Schmidts, die beide "weit mehr als wir" haben. Dann der Neid auf den Sohn der Meyers, der im Unterschied zu ihrem Sprössling "jetzt auch mit dem Klavierspielen angefangen" hat. Der Urlaub auf Bali löst Neid aus ebenso wie die vielen freien Tage, die "die" haben. Eigentlich hätte sie ja die "abwertende Bezeichnung für einen Obdachlosen" auf den Gedanken bringen können, dass es ihnen tausendmal besser geht als jedem Obdachlosen … Aber Fehlanzeige! Sie denken eher wieder an den Garten der Schmidts, in dem immer alles so schön grünt und blüht, und an den Flitzer, den "die" haben … Und merken gar nicht, dass sie das "emotionale Verübeln der Besserstellung anderer" in Reinkultur praktizieren: den "Neid"!

[Liedeinspielung: "Was hat sie, das ich nicht habe …?"] "Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?" Nicht nur im Märchen begegnet uns die Frage und das Thema. Neid ist allgegenwärtig. Ob am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Freizeit, beim Shoppen, in den besten Familien und wohl auch in den besten Gemeinden. Das Märchen von Schneewittchen spiegelt im Grunde nur etwas von dem wieder, was schon in jedem Kind angelegt ist. Wie lauten die beiden Worte, die Kleinkinder zu einem ersten Satz zusammenfügen? "Auch haben!" Meist fängt alles so harmlos an - beispielsweise mit einem neidischen Blick. Da spielen im Urlaub die Kinder ganz friedlich am Strand. Das geht auch wunderbar ohne die Schaufel des kleinen Mädchens, das nicht weit entfernt eine tolle Burg baut. Und plötzlich muss es genau diese Schaufel sein, sonst geht gar nichts mehr …! [Liedeinspielung: "Was hat sie, das ich nicht habe …?"]

Und nicht nur Kinder, sondern Erwachsene ebenso wollen haben, was andere haben, auch wenn wir das nicht immer so wahrhaben wollen. Natürlich wissen wir, dass es keinen Sinn hat, neidisch oder eifersüchtig zu sein. Wir kennen das 10. Gebot und wissen, dass wir nicht den Besitz unseres Nächsten begehren sollen: Weder sein Haus, noch seine Frau (vielleicht ist sie ja die Schönste im ganzen Land), auch nicht seinen Sportwagen, seinen Luxusurlaub, seine Karriere, sein Gehalt oder seine Fitness …!

Übrigens: Neid und Eifersucht haben zwar viele Berührungspunkte, und doch gibt es einen Unterschied. Eifersucht verkörpert einen ausschließlichen Besitzanspruch auf eine andere Person, zu der eine emotionale Bindung vorhanden ist. Ein eifersüchtiger Mensch hat Angst, zu verlieren, was (oder wen) er besitzt und wirklich oder vermeintlich braucht. Ein neidischer Mensch dagegen will das haben, was andere besitzen. An einem Beispiel mag es deutlich werden: Ein Kind ist eifersüchtig, wenn seine Mutter seinen Geschwistern Aufmerksamkeit zuteil werden lässt, aber neidisch wegen des Fahrrades seines Freundes, das es gerne hätte.

"Keine Leidenschaft ist für die Seele des Menschen verderblicher als der Neid, der zwar andere sehr wenig betrübt, aber für den, der damit behaftet ist, das größte, eigentlich das Grundübel ist. Denn wie der Rost das Eisen, so verzehrt der Neid die Seele, die mit ihm behaftet ist." So sagt es der Kirchenlehrer Basilius der Große (~330-397). Entsprechend galt Neid von Anfang an als eine der sieben Todsünden.

Wenn das nur so einfach wäre mit dem "Du sollst nicht begehren"! Hat nicht sogar unser Schöpfer diese Sehnsucht in jeden von uns hineingelegt?! Was ist mit Adam und Eva? Die beiden hatten ja wirklich alles, was man sich nur wünschen kann. Sie konnten überhaupt nicht neidisch auf andere sein, weil sie ja das ganze Paradies für sich hatten. Trotzdem wurde die eine verbotene Frucht zum Objekt ihrer Begierde. Warum? Adam und Eva dachten, Gott ihnen würde ihnen etwas vorenthalten. Letztendlich ging es den beiden gar nicht um die geheimnisvolle Frucht. Hier eifert der Mensch danach, wie Gott zu sein. Diese Eifersucht auf den Allmächtigen, ist das Werk der Schlange, des Satans. Der Widersacher Gottes wollte sich nicht mit dem Stand eines Engels begnügen. Getrieben von Neid und Eifersucht hat er nichts Besseres zu tun, als uns das einzureden, was er sich ursprünglich selbst vorgenommen hatte: "Ich werde weit über die Wolken hinaufsteigen, um dem Höchsten gleich zu sein" (Jesaja 14,13f). Demnach will der Satan uns neidisch machen, weil er selber nicht das bekam, was er unbedingt erreichen wollte. Obwohl wir das vielleicht alles schon einmal gehört haben, kann es sein, dass wir genauso wie Adam und Eva auf die so harmlos wirkende, aber teuflische Versuchung hereinfallen.

Dass man heimlich nach anderen schielt, das macht den Neid so zerstörerisch. Es tut weh, sich einzugestehen, dass man blass, gelb oder grün vor Neid ist, weil andere über Eigenschaften oder Dinge verfügen, die wir selber gerne hätten. Tatsächlich zählt Neid zu den schamvollsten Gefühlen. Deshalb wollen wir ihn verstecken. Niemand ist gern argwöhnisch und will diesen Stachel in sich wahrhaben. Noch weniger wollen wir von anderen als Neider entlarvt werden.

Das Leugnen und die Scham, die mit dem Neid verbunden sind, bergen eine große Zerstörungskraft. Denn so unterschätzen wir die konstruktiven Kräfte des Neids oder nehmen sie nur verzerrt wahr. Nicht das Gefühl, neidisch zu sein, macht kaputt, sondern erst unser Handeln und Verhalten, das von verstecktem Neid und Missgunst beherrscht wird.

Bleibt der Neid in uns verschlossen, beginnt er, zu wuchern und zu lodern wie ein verzehrendes Feuer. Er lässt uns Dinge denken und tun, vor denen wir erschrecken. Neidgefühle können in offene Feindseligkeit umschlagen. Man denke nur an Mobbingszenen am Arbeitsplatz oder im Sportverein.

Neid versucht sich immer zu tarnen. Niemand von uns würde offen zugeben, neidisch zu sein, oder?! Und genau das macht Neid so gefährlich - sowohl für den, der neidet, als auch für den, der beneidet wird.

Man denke nur an die Geschichte von Josef und seinen Brüdern. Weil Josef in seinen Träumen ganz besondere Botschaften von Gott her empfing, wurden seine Brüder auf ihn neidisch. Außerdem waren sie eifersüchtig, weil er Papas Liebling war. So kam es dazu, dass seine Brüder ihn mit Eifer versuchten loszuwerden (vgl. Apostelgeschichte 7,9)!

Auch Jesus hatte viele Neider - besonders die Schriftgelehrten und Pharisäer. In den Evangelien von Matthäus und Markus wird ausdrücklich erwähnt, dass seine Feinde, die Hohenpriester, ihn aus Neid dem Statthalter Pilatus überlieferten (Matthäus 27,18; Markus 15,10). Sein Tod am Kreuz ist also so gesehen eine Folge der Todsünde Neid. Im alttestamentlichen Buch der Sprüche heißt es: "Neid ist wie Knochenkrebs" - bei Luther ist von "Wurmfraß in den Knochen" die Rede (Sprüche 14,30).



[ Lied: "Vergiss es nie (Du bist du)" ]


Fragt sich nun: Gibt es eine Heilungs-Chance gibt, wenn einen der Neid zerfrisst?!

Im Jakobusbrief finden wir dazu interessante Ausführungen: "Wenn ihr von bitterem Neid und Streitsucht in euren Herzen erfüllt seid, dann rühmt euch nicht und lügt nicht gegen die Wahrheit. Denn Neid kommt nicht von Gott. Neid ist irdisch, seelisch, dämonisch" (Jakobus 3, 14 -15).

Das Erste und Wichtigste ist demnach, bei der Wahrheit zu bleiben. Und die Wahrheit ist, dass tief in unseren Herzen die Versuchung verborgen liegt, auf andere neidisch zu werden. Wer das nicht wahrhaben will, belügt sich selbst und macht es dem Teufel leicht.

Wenn wir diese Wahrheit soweit akzeptieren, geht es zweitens darum, zu fragen, woher der Neid kommt. So viel steht fest, er kommt nicht von oben, also nicht von Gott.

Es könnte sein, dass die Ursache "irdisch" ist: Dann sind es irgendwelche materiellen Dinge, die auch für Christen einen viel zu hohen Stellenwert einnehmen. In dem Fall wäre es besser, die Blickrichtung zu ändern und an bestimmten Schaufenstern bewusst vorbeizugehen oder auch den Blick über den Gartenzaun zu vermeiden. Außerdem sollten wir uns jeden Tag bewusst machen, dass wir bei unserer Geburt nichts, aber auch gar nichts, in diese Welt mitgebracht haben und wir eben auch nichts mitnehmen können, wenn wir einmal sterben (1. Timotheus 6,6+7) …!

Es könnte natürlich auch sein, dass Neid "seelisch" bedingt ist: Wer als Kind häufig benachteiligt worden ist, trägt diese seelische Wunde in sich. Und später beneidet man diejenigen, die seelisch stabiler sind, ein starkes Selbstbewusstsein haben und leichter durchs Leben kommen. Dann kommt es darauf an, sich nicht mit anderen zu vergleichen, sondern zu sehen, dass Gott mich so annimmt, wie ich bin und eben auch zu sehen, was seine Liebe in meinem Leben schon bewirkt hat …!

Es gibt noch eine dritte mögliche Ursache für Neid. Wir sollten in Betracht ziehen, dass Neid auch "dämonisch" sein kann: Grundsätzlich dürfen wir keinesfalls vorschnell darauf schließen, dass der Teufel am Werk ist. Doch wenn man mit gesundem Menschenverstand und mit dem täglichen Gebet nicht weiterkommt, muss das Böse gegebenenfalls in Jesu Namen ausgetrieben werden. Das hört sich dramatisch an, aber wir dürfen nicht vergessen, welche zerstörerische Macht Neid und Eifersucht annehmen können. Von daher sollten wir die bittere Wurzel ausreißen, bevor es zu spät ist …!

So, damit müsste nun eigentlich alles geklärt sein. Doch was ist mit diesem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Matthäus 20,1-16)? Da erzählt Jesus davon, dass diejenigen, die zuletzt noch für eine Stunde im Weinberg mitgearbeitet haben, denselben vollen Lohn ausgezahlt bekommen, wie diejenigen, die den ganzen Tag über in der sengenden Hitze schwer gearbeitet haben. Ist das gerecht? Der Weinbergbesitzer in dem Gleichnis, der für Gott steht, antwortet mit einer Gegenfrage: "Bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?".

John Ortberg schreibt: "Neid bedeutet, einem anderen Menschen die Güte Gottes nicht zu gönnen und davon auszugehen, dass Gott einem selbst seine Güte nicht erweisen will." Solange ich glauben kann, dass Gott mir seine ganze Güte erweist, ist alles gut. Doch was ist, wenn Dinge geschehen, die ich als ungerecht empfinde? Und was ist, wenn ich mich von Gott benachteiligt fühle? Andere erzählen von großartigen Gebetserhörungen, die sie erlebt haben und ich …?! Eine andere Gemeinde wächst stetig und wir …?! Solche Gedanken können tödlich sein - sie können allerdings auch im positiven Sinne Motivation sein. Zwar sind die Worte Neid und Eifersucht grundsätzlich negativ besetzt. Doch vom griechischen Wortstamm her kann das Eifern und Suchen durchaus auch positiv verstanden werden. In dem Sinne, dass wir mit Eifer versuchen sollen, das Beste aus den gottgegebenen Möglichkeiten zu machen.

Gott selbst wird im alttestamentlichen Buch Hesekiel in einer bildhaften Sprache als eifersüchtiger Ehepartner dargestellt (Hesekiel 16,38; 23,25). Ja, wenn wir uns von Gott abwenden, reagiert Gott darauf eifersüchtig - in dem Sinne, dass er mit Eifer nach uns sucht. Und genau so verstanden sollten auch wir darauf aus sein, dass der Heilige Geist unsere Herzen erfüllt, damit unser Denken und Handeln weder irdisch noch seelisch oder gar dämonisch bestimmt werden (vgl. Galater 5, 20ff). Gott hält in seiner Güte noch so viel für uns bereit. Da gibt es Charismen, nach denen wir streben sollen, statt andere zu beneiden, die ihre Gaben schon ausleben. Sicher, wir sind alle ganz unterschiedlich begabt und von daher dürfen wir uns gerade in der Gemeinde nicht mit denen messen, die scheinbar ungerecht viel an Güte erfahren. Lasst uns vielmehr dem Bösen widerstehen, indem wir uns an der Güte Gottes genügen lassen. Genügsamkeit ist der Schlüssel zu einem zufriedenen Leben. Wer sich an Jesus und seiner Gnade genügen lässt, kann neidlos anerkennen, was andere erreicht haben.!

Damit möchte ich zum Schluss kommen: Am dritten Tag, nachdem Jesus gekreuzigt worden war, kamen die beiden Jünger Petrus und Johannes zur Grabesstätte. Sie liefen sogar um die Wette. Als sie noch von der Güte Gottes überwältigt mit dem Auferstandenen sprechen, fällt der Blick von Petrus auf Johannes. Plötzlich wollte er wissen: "Was wird mit ihm?" Ob in dieser Frage schon ein gewisser Konkurrenzgedanke mitschwingt, lässt sich nicht genau sagen. Doch Jesus antwortet auffällig harsch: "Was geht dich das an? DU aber folge mir nach!" (Johannes 21,22).

Neid hat immer mit den Augen zu tun - damit, worauf ich meinen Blick richte. Jesus fordert Petrus dazu auf, den Blick von Johannes zu lösen und auf IHN, auf den Auferstandenen zu schauen. Petrus soll bei sich selbst bleiben und zusehen, dass er mit Eifer Jesus nachfolgt. Ja, wenn du Jesus nachfolgst, dann sagt das Spieglein an der Wand, dass du genügst und du das ewige Leben schon hast. Was willst du eigentlich mehr? Mehr geht nicht!

Jetzt noch ein chinesisches Märchen, das deutlich macht, dass manchmal der Neid völlig unbegründet ist und ganz in die Irre führt, weil es viel besser ist, seine Gaben und Talente die man hat, dankbar zu nutzen. Der Makel, den man bei sich selbst wahrnimmt, ist nämlich in Wirklichkeit oft gar kein Makel, sondern Gottes spezielle Gabe für mich …



[ "Der Sprung in der Schüssel" ]

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht eine gesegnete Woche!