40. "Leben live"-Gottesdienst, 28. März 2009
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart.
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Ein Nachdruck des revidierten Textes der Lutherbibel sowie jede andere Verwertung
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Themenpredigt:
"Nichts als die Wahrheit!?"

Es gilt das gesprochene Wort!


"Nichts als die Wahrheit" - Ausrufezeichen, Fragezeichen, so lautet unser heutiges Gottesdienst-Thema. Man kann sich diesen Satz mit einem Ausrufezeichen denken, dass diesen Satz jemand sagt, dessen Aussage vorher in ihrem Wahrheitsgehalt angezweifelt wurde. Damit versucht er sich nun zu rechtfertigen, indem er sagt: "Glaub mir, das ist die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!" Mit einem Fragezeichen ist der Satz aber genauso denkbar: "Sagst du wirklich die Wahrheit, nichts als die Wahrheit?"

Wenn man dieses "nichts als …" so besonders betonen muss, dann scheint dahinter ja die Erfahrung zu stecken, dass oft von verschiedenen Ebenen von Wahrheit ausgegangen wird, oder von verschiedenen Stufen von Wahrheit. Und entsprechend reden wir ja auch von Halbwahrheiten oder von Teilwahrheiten.

[ "Nichts als die Wahrheit" ist übrigens auch der Titel eines Romans von Johannes Betz und Beate Veldtrup, der 1999 von Regisseur Roland Suso Richter verfilmt wurde. Im Mittelpunkt steht ein hypothetisches Szenario, in dem der Nazi-Verbrecher Josef Mengele bis in die 90er Jahre überlebt hat und die Legitimität seiner Handlungen im KZ Auschwitz nachweisen will. Außerdem ist "Nichts als die Wahrheit" auch der Titel der ersten Autobiografie von Dieter Bohlen (2002). ]

Wie steht es denn eigentlich mit der Wahrheit und mit unserer Wahrheitsliebe?

Hören wir dazu eine Geschichte aus einem Kinderbuch, die, wie es scheint, mitten aus dem Leben gegriffen ist:

[ Geschichte: "Lauter Lügen …" ]

Ein ganzes Lügengespinst haben wir da kennengelernt, einer Lüge folgt die andere. Alle haben sich in dieses Lügengespinst verstrickt. Da ist keiner besser als der andere. Alle sind verlegen, jeder ist von jedem enttäuscht - Familienfrieden ade.

Lügen sind etwas Alltägliches und Gängiges, sodass es schon fast nicht mehr auffällt.

- Sich am Telefon verleugnen zu lassen, ist schon so üblich, dass bei dem Hinweis, "der ist leider nicht zu sprechen", schon in Gedanken eingeräumt wird, dass der andere wahrscheinlich gerade nicht will, aber doch da ist.

- Der Handwerker stellt eine Rechnung aus und fragt seinen Kunden: "Welchen Betrag soll ich einsetzen?" Oder er sagt: "Ich mach dir das, aber ich stell dir keine Rechnung aus."

- Bei der Steuererklärung wird auch viel getrickst, Nebenverdienste nicht angegeben usw. - alles braucht der Staat ja auch nicht zu wissen, und außerdem zahl ich sowieso schon zu viel Steuern.

- Die Unpünktlichkeit wird mit Ausreden entschuldigt: Es war so viel Verkehr auf der Autobahn. Richtig wäre es doch zu sagen: "Sorry, ich bin zu spät weggefahren."

- In der Schule: Das Abschreiben von Hausaufgaben, das Verwenden von Spickzetteln ist in der Schule ein gängiges Mittel, um seine Noten aufzubessern. Wobei ja das Schreiben eines Spickzettels nicht das Problem ist. Im Gegenteil, es gibt keine bessere Vorbereitung auf eine Probearbeit, als sich einen Spickzettel zu schreiben, der freilich zu Hause zu bleiben hat und in der Probe nicht verwendet wird …

Während das alles scheinbar kleine Lügen sind, kann sich ein Lebensstil, der es mit der Wahrheit nicht genau nimmt, zu einer einzige Lebenslüge ausweiten. Weil ich unzufrieden mit mir selbst bin, mit meiner Lebenslage, meinen Begabungen, meinem Aussehen, meinem Besitz, stelle ich mich in der Gesellschaft immer besser dar, schneide auf, lasse Details, die mich in ein schlechtes Licht setzen würden, weg und übertreibe, nur um gut dazustehen. Keinen lasse ich sehen, wie es wirklich in mir aussieht. Denn ich bin geradezu süchtig nach dem Staunen, dem Mitleid und der Anerkennung durch andere.

Im Lexikon steht als Definition für den Begriff "wahr": der Wirklichkeit entsprechen, tatsachengetreu, irrtumsfrei, nicht gelogen. "Wahrhaftigkeit" bezieht sich auf die Person bzw. auf das Verhalten einer Person. Und wie wird "Lüge" definiert? "Eine Lüge ist der Ausdruck einer subjektiven Unwahrheit mit Ziel und Intention, im Partner einen falschen Eindruck zu schaffen oder zu erhalten."

An dieser Definition wird deutlich, dass Lüge etwas mit Beziehung im weitesten Sinne zu tun hat, und damit meine ich nicht nur Partnerschaft oder Freundschaft, sondern ganz allgemein: Eine Lüge an sich gibt es nicht. Eine Lüge richtet sich immer an jemanden: Entweder ich belüge einen anderen Menschen, oder ich belüge mich selber oder ich belüge Gott. Außerdem kann etwas nur dann eine Lüge sein, wenn der andere von einer Wahrheit ausgeht. Es gibt ja zum Beispiel auch Scherz, Witz, Satire oder Ironie, bei denen der Partner weiß, dass es nicht ernst gemeint ist. Das ist völlig unproblematisch.

"Warum muss Lügen sein?", so fragt sich Ingrid am Ende der Geschichte. Ja, muss es überhaupt sein? Geht es ohne Lügen?

Ein wirklicher Zwang zur Lüge besteht in der Regel nicht, außer in ganz besonderen extremen, lebensbedrohlichen Grenzsituationen. Wobei eine Lüge immer eine Lüge bleibt, auch wenn sie möglicherweise in Extremsituationen als das "kleinere Übel" erscheint. Also, auch eine sog. Notlüge ist eine Lüge und damit eine Übertretung von Gottes Gebot.

Aber dass wir meinen, lügen zu müssen, entpuppt sich meistens nur als Hang zur Bequemlichkeit, zum Vorteil. Die Wahrheit zu sagen, ist nämlich oft lästig, unangenehm, ja sogar schmerzlich.

Lügen kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen durch Ablenken, durch Erfinden und Verfälschen, durch Über- und Untertreiben.

Es werden ja regelmäßig irgendwelche Untersuchungen in den Medien zitiert, die beweisen sollen, dass ein Leben ohne Lüge nicht möglich sei, vor allem aber auch gar nicht erstrebenswert sei.

Eine tiefe Erkenntnis steckt darin schon. Nämlich, dass der Mensch von Natur aus tatsächlich zum Lügen geboren ist. Denn solange mein Leben nicht dem lebendigen Gott unterstellt ist, wird der "Vater der Lüge" (Johannes 8,44b), nämlich der Teufel, mein Leben prägen und bestimmen, er wird daher auch immer ein leichtes Spiel haben. Es gehört zum Wesen des Menschen, zu seiner Natur, dass er, solange er nicht in einer persönlichen Beziehung mit Gott steht, der Lüge in all ihren Erscheinungsformen, in all ihren Facetten und Schattierungen, hilflos ausgeliefert ist. Schließlich beginnt die ganze Tragödie des Sündenfalls mit der Lüge: "Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?" (1. Mose 3,1). Gott hat das nicht gesagt! Er sagte lediglich: "Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen …" (1. Mose 2,16b.17a). Man kann also sagen, die erste Sünde war eine Lüge. Mit der Lüge kam die Sünde in die Welt, einer Lüge haben wir es zu verdanken, dass wir Menschen von Natur aus nicht in einer Beziehung mit Gott leben.

Während also der Teufel der Vater der Lüge ist, gehört auf die Seite des lebendigen dreieinigen Gottes die Wahrheit! Gott "hat" nicht nur die Wahrheit, sondern er ist die Wahrheit in Person. Auf vielfältige Weise finden wir das in der Bibel bestätigt. Von Gott dem Vater: "Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen" (Psalm 36,6). "Denn der Herr ist freundlich, / und seine Gnade währet ewig und seine Wahrheit für und für" (Psalm 100,5). Ebenso gilt das aber auch für Gott den Sohn, für Jesus Christus. Er sagt von sich selbst: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich" (Johannes 14,6). Und die dritte Person der heiligen Dreieinigkeit, Gott der Heilige Geist, wird auch als der "Geist der Wahrheit" bezeichnet (1. Johannes 4,6), ja mehr noch: "… der Geist ist die Wahrheit" (Johannes 15,26; 16,7; 1. Johannes 5,6).

Wir sagten vorhin, Lüge "geschieht" nur in Beziehung, eine Lüge an sich gibt es nicht. Nun ist ja Lügen die Verkehrung des guten Willens Gottes. Was im Zeichen der Sünde für die Lüge gilt, das gilt erst recht in vollkommenem Sinn für die Wahrheit. Wahrheit lebt von Beziehung. Das wird sogar schon an dem Wort deutlich, das im Urtext der Bibel, im Alten Testament verwendet wird: Das hebräische Wort teme' hat eine doppelte Bedeutung: es heißt sowohl "Wahrheit" als auch "Treue". Wenn wir in der Wahrheit leben wollen, wahrhaftig leben wollen, dann ist das nur möglich, wenn wir in einer persönlichen Treuebeziehung mit der Wahrheit in Person, nämlich mit Jesus Christus, leben. Wenn Jesus Christus der Herr in meinem Leben wird, dann kommt die göttliche Wahrheit in mein Leben. Jesus sagt einmal: "Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen" (Johannes 8,31b.32).

[ persönlicher Bericht ("Zeugnis") H.S. ]

Weshalb sollte man nicht lügen?

Erstens: Weil der dreieinige Gott die Wahrheit in Person ist und wir als seine Geschöpfe etwas von seinem Wesen widerspiegeln sollen.

Zweitens: Weil Gott es uns in seinem Wort sagt. Das 8. Gebot, "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten", kann man auch vereinfacht mit "Du sollst nicht lügen" wiedergeben. "Rede einer mit dem andern Wahrheit" heißt es beim Propheten Sacharja (8,16). Ganz ähnlich im Neuen Testament "Legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten …" (Epheser 4,25). Und dass Wahrheit nicht nur mit dem Reden zu tun hat, sondern auch mit dem Tun, das wird an folgenden Worten von Jesus deutlich, wo die Wendung "die Wahrheit tun" fällt: "Wer … die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind" (Johannes 3,21).

Der dritte Grund, warum wir nicht lügen sollten: Beziehungen müssen auf Wahrheit und Vertrauen gebaut sein. Aber da wo Lügen erzählt werden, baut man auf einem schlechtem Fundament.

Fast alles in dieser Welt ändert sich - die Mode, die Sprache, die Technologie usw.

Aber eines bleibt in alle Ewigkeit, als Beweis dafür seit 2000 Jahren - Gottes Wort, die Bibel. Und dieses Wort ist die Wahrheit: Jesus betet zu seinem Vater: "Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit" (Johannes 17,17 [!]).

Das wäre doch mal etwas, wenn wir anfangen würden, uns diese "doppelt gemoppelten" Bibelstellen zu merken und auswendig zu lernen. Einige von ihnen haben es "in sich": Matthäus 7,7; Markus 16,16; Johannes 1,1 … In Gottes Wort finden sich keine Lügen. Alles darin ist wahr - das heißt der Wirklichkeit entsprechend.

So häufig sind wir Menschen geblendet von der Wahrheit, weil wir immer nur Lügen gehört haben, aber bei Gott hören wir keine Lügen, sondern - und damit sind wir beim Titel unseres heutigen Gottesdienstes - "nichts als die Wahrheit"!

Doch Vorsicht: Die Wahrheit kann nicht nur befreien, sie kann auch erschlagen, wenn sie nicht in Liebe gesagt wird (Epheser 4,15) - auch darauf sollten wir achten.

Lügen schleichen sich überall in unserm Leben hinein - durch die Werbung, in der Schule, auf der Arbeitsplatz, im Gespräch miteinander.

Es ist ganz normal versucht zu werden, aber es ist nicht normal für einen Christen, dieser Versuchung nachzugeben.

Wir werden jetzt einige Augenblicke Zeit haben, über unser Leben und unser Verhältnis zu Wahrheit und Lüge nachzudenken …

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht eine gesegnete Woche!