32. "Leben live"-Gottesdienst, 17. November2007
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart.
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Themenpredigt:
"Die Hoffnung stirbt zueletzt"


Es gilt das gesprochene Wort!


Was Werbung nicht alles verspricht … "Für Spaß, der lange anhält", "Keine Sorge, Volksfürsorge", "Nichts ist unmöglich", "Heute ein König", "Das neue Diadermin wirkt exzellent". Oft sind es doppeldeutige Aussagen: So wird man glauben gemacht, wer ein "König" trinke, der könne auch das Gefühl haben, "heute" ein König zu sein. Das Geräusch beim Trinken wird nicht wie üblich "gluck, gluck" wiedergegeben, sondern "glück, glück"; denn wenn man das betreffende Produkt trinkt, empfinde man Glück. Die Toyota-Botschaft "Nichts ist unmöglich", die übrigens nicht Toyota erfunden hat, sondern die von Jesus stammt (vgl. Matthäus 19,26; Markus 9,23; 10,27) könnte wie ein Kommentar zu vorherigen Spot sein, wo eine Schrottkarre in die Waschanlage fährt und ein nagelneues Auto herauskommt.

Werbung weckt Hoffnungen. Was aber, wenn dein Auto aus der Waschanlage zwar sauberer herauskommt, es aber eben kein neues ist? Was, wenn dein "König" dich nicht zum König macht, sondern deine Sorgen um deine Gesundheit, um deinen Arbeitsplatz nicht verschwinden? Was, wenn du trotz Diadermin älter wirst und sich weder die Falten noch die grauen Haare aufhalten lassen? Wer den Versprechen der Werbung Glauben schenkt, der wird regelmäßig enttäuscht werden. Werbung lebt von geweckten Hoffnungen, die Enttäuschung wird dabei bewusst in Kauf genommen.

Ich sagte ja bereits, dass der Toyota-Werbespruch von Jesus stammt. Allerdings gibt es da auch einen ganz entscheidenden Unterschied: Jesus bezieht diesen Satz nämlich auf den lebendigen Gott, und bei diesem ist nichts unmöglich. An anderer Stelle bezieht er den Satz auf den Glauben, das unbedingte Vertrauen auf Gott, und sagt: "Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt" (Markus 9,23). Wenn irgendjemand sagen kann, dass ihm nichts unmöglich ist, dann ist es Gott! Mit anderen Worten: Einem Autohersteller werden hier göttliche Eigenschaften zugeschrieben. Man könnte darin, eine versteckte Gotteslästerung erkennen! Wohlwollend könnte man freilich den Toyota-Werbespruch als hervorragenden Aufhänger für ein Gespräch über den christlichen nutzen, nach dem Motto: "Nichts ist unmöglich für Jesus".

Dinge oder Produkte können Hoffnungen wecken, die enttäuscht werden. Menschen können Hoffnungen bei uns wecken, die enttäuscht werden. Gott aber weckt keine unbegründeten Hoffnungen. Jesus ist vielmehr unsere Hoffnung!

[ Lied: "Meine Hoffnung und meine Freude" ]

Welche Zuversicht spricht aus diesem Lied, und alles wird allein auf Christus bezogen: meine Hoffnung, meine Freude, meine Stärke, meine Licht, meine Zuversicht, alles ist Jesus Christus. Der griechische Philosoph Epiktet (~50-138) sagte einmal: "Man darf das Schiff nicht an einen einzigen Anker und das Leben nicht an eine einzige Hoffnung binden." Wie anders dieses Lied! Hier wird alles auf eine Karte gesetzt. Dieses Lied orientiert sich nicht an dem heidnischen Philosophen Epiktet, sondern am Wort Gottes, wo wir im Hebräerbrief aufgefordert werden, "festzuhalten an der angebotenen Hoffnung. Diese haben wir als einen sicheren und festen Anker unsrer Seele …" (Hebräer 6,18b.19a).

Ja, wie ein roter Faden zieht sich das Thema Hoffnung durch die Bibel.

Doch wichtig ist, was damit gemeint ist. Denn so wie das biblische Wort "glauben" immer wieder missverstanden wird im Sinne von "vermuten", "meinen", "nicht wissen", so ist es auch mit dem Wort Hoffnung.

In der Bibel ist Hoffnung nicht eine unsichere, unbestimmte Zukunftserwartung (im Sinne des Sprichworts "Hoffen und Harren hält manchen zum Narren"). Sie ist vielmehr der Ausdruck allergrößter Gewissheit. Deshalb kann Paulus sagen: "Hoffnung lässt nicht zuschanden werden" (Römer 5,5). Und statt "Hoffen und Harren hält manchen zum Narren" sagt die Bibel das genaue Gegenteil, nämlich: "Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden" (Jesaja 40,31).

Übrigens ist unser deutsches Wort "hoffen" (mittelniederdeutsch "hopen", ähnlich dem englischen "hope") mit unserem Wort "hüpfen" verwandt. Es bedeutet soviel wie "(vor Erwartung) zappeln, aufgeregt herumhüpfen". Wer Kinder in den Tagen und Stunden vor dem Heiligen Abend beobachtet, dem wird dieser Zusammenhang einsichtig sein.

[ Lied: "Meine Hoffnung und meine Freude" ]

Es war 1968. Wenige Monate nach dem gewaltsamen Einmarsch sowjetischer Truppen fand in Prag ein volkstümliches Konzert statt. Nach mehreren Darbietungen sang eine Sängerin in deutsch und tschechisch: "Morgen, morgen lacht uns wieder das Glück". Eine Explosion der Begeisterung erfasste die Menge. Man stand auf, stieg auf die Sitze, klatschte, sang mit. Es war, als wäre ein Funke in ein Pulverfass gefallen, ein Hoffnungsfunke. Er riss die Menschen hin mit elementarer Gewalt. All unser Sinnen und Trachten ist auf ein besseres Morgen ausgerichtet. Hoffnung ist die Kraft des Lebens. Ohne Hoffnung kann man nicht sein. "Morgen lacht uns wieder das Glück!" Lacht es uns wirklich?

Wir haben begonnen, das "Morgen", die Zukunft, zu erforschen. Diese Forschungen entwerfen ein finsteres Bild: Überbevölkerung, Welthungersnot, unerträgliche Umweltverschmutzung, globale Erwärmung, Rohstoffknappheit, biologische Schäden menschlicher Erbmasse. All das sei zu erwarten, wenn wir so unvernünftig weitermachen wie bisher. Das Problem liegt nicht in der Technik, Wirtschaft, Planung etc. Übereinstimmend ist man der Meinung, dass das Problem im Menschen selber liege. Darum kann - menschlich gesprochen - die Lösung der Probleme nur in Veränderung unseres Verhaltens liegen.

Wenn wir die Bibel ernst nehmen, muss der "alte Mensch" verwandelt werden. Mit "alter Mensch" ist nicht das Lebensalter gemeint, sondern der eigensüchtige Mensch, er Gott nicht zu brauchen meint. Dieser muss verwandelt werden in einen Menschen, der Gott von ganzem Herzen liebt und darum auch seinen Nächsten wie sich selbst. So würden wir endlich verantwortlich leben und handeln. Es ist im Neuen Testament allerdings nicht verheißen, dass durch die Liebe die Welt allmählich verbessert würde, auch christliche Nächstenliebe erneuert nicht die vergehende Welt, sondern ist Zeichen einer neuen Welt. Auf diese neue Welt ist die Hoffnung der Christen gerichtet.

Neben den schlechten Zukunftsaussichten, die uns von Futurologen gemacht werden, gibt es allerdings auch sehr optimistische Gedanken, z. B. von Ernst Bloch. Er schließt sein großes Werk "Prinzip Hoffnung" mit den Worten: "Die Wurzel der Geschichte (aber) ist der arbeitende, schaffende …Mensch. Hat er sich erfasst,... so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat!" Nach Bloch schaffen wir uns also unsere Heimat, unser Paradies, selbst. Das ist "natürliche" Hoffnung, die sich allein auf den Menschen stützt. Von dieser natürlichen, allen Menschen mitgegebenen Hoffnung aber spricht die Bibel nicht. Sie sagt nicht einfach, wir seien zur Hoffnung geboren. Sie sagt vielmehr von den Christen, dass diese zu einer lebendigen Hoffnung wiedergeboren sind (1. Petrus 1,3).

[ Lied: "Meine Hoffnung und meine Freude" ]

Wenn es lebendige Hoffnung gibt, dann gibt es offensichtlich auch tote Hoffnung. Es ist die Hoffnung des Menschen, der ohne Gott auszukommen meint. Wiedergeburt zur lebendigen Hoffnung aber setzt voraus, dass der "alte Adam", das alte menschliche Wesen, das ohne Gott lebt, stirbt. Von diesem Sterben ist auch seine Hoffnung betroffen. Die lebendige Hoffnung gewinnt ihre Zuversicht nicht durch den Glauben an den Menschen, sondern allein aus dem Glauben an Jesus Christus.

Was in den menschlichen Utopien nicht gesehen wird, ist dieses: Die Hoffnung erfüllt sich nicht durch fortschrittliche Werke der Menschen, sondern durch die eingreifende Tat Gottes. Es ist ja nicht nur Hoffnung in der Welt, sondern auch Angst, Todesangst. Der Tod macht einen Strich durch alle kühnen menschlichen Rechnungen. Christlicher Glaube weiß, dass unser aller Tod durch Jesus Christus am Kreuz gestorben ist. Wer sich Jesus Christus im Glauben anvertraut, hat seinen Tod bereits hinter sich: "Jesus lebt, nun ist der Tod mir der Eingang in das Leben" (EG 115,69). Eine Hoffnung, die am Kreuz Jesu vorübergeht, wird zur leeren Utopie. Mit dem Menschen, der biologisch einmal ausstirbt, stirbt auch eine Hoffnung aus. Am Kreuz aber ist der Tod besiegt. Auferstehungskraft war da plötzlich am Werk, zersprengte das Grab, holte den Gekreuzigten lebend hervor. Auferstehungskraft wird denen zuteil, die sich ihm verschreiben, ihm glauben und vertrauen. Sie wissen, dass sie nicht im Tod bleiben und dass Jesus Christus wiederkommt.

Davon spricht ein Text, der mir zum ersten Mal in einem evangelischen Kloster begegnete: "Seid ohne Furcht! Selbst wenn eines Tages die Kraft der Atome den kreisenden Erdball zersprengen sollte, dann wird sie doch nichts sein gegen jene Gewalt, die den Stein vom Grab hinwegwälzte. Jesus Christus hat ein für alle Mal den Tod besiegt, alles Grauen währt nur bis zum dritten Tag und jede Vernichtung ist eingeschlossen in seine und unsere Auferstehung."

Jesus hat Zeichen genannt, die seiner Wiederkunft vorausgehen (vgl. Matthäus 24). Auf die Zeichen gilt es zu achten. Dabei soll uns nicht apokalyptische Sensationslust leiten, sondern die Wachsamkeit des Glaubens, der Gottes Wort im Auge hat und gleichzeitig die Welt im Blick.

[ Lied: "Meine Hoffnung und meine Freude" ]

Wer lebendige Hoffnung hat, darf sein Leben auf ein schönes, großes Ziel ausgerichtet wissen. Das bloß Vergängliche verliert damit vieles von seiner letzten Aufdringlichkeit. Wenn alles Irdische vorläufig ist, kann man auch im Alltag um dieser Dinge willen nicht mehr so ganz fanatisch, verbohrt und versessen sein. Man erlebt als Hoffender etwas von der Freiheit, jenes "Haben als hätte man nicht" (vgl. 1. Korinther 7,29ff). Man kann gelassen sein in allem, was über einen kommt. Auch schwere, dunkle Stunden sind dann lediglich Schritte auf einem Weg, der in das Licht führt. Ist die Zukunft erfreulich, kann ich mich jetzt schon, in meiner Gegenwart, der Zukunft freuen. Ist das Morgen aber dunkel, wirft es seine Schatten schon auf das Heute.

Hoffnungslosigkeit hat im endgültigen Sinne nichts, was sich ruhig und erwartungsfroh ins Auge fassen lässt. Sie äußert sich darum bisweilen in einer seltsamen Gier nach Vergänglichem, weil dieses als das Höchste im Leben angesehen werden muss. Das hat Auswirkungen auf den Alltag. Da fehlt oft die Gelassenheit, die Heiterkeit, der Abstand. Kleine Dinge bekommen leicht einen unverhältnismäßig hohen Rang (die Beule am Kotflügel verbeult die Seele gleich mit). Hoffende Menschen verachten nicht das Irdische, aber sie haben eine Distanz dazu, weil sie auf den Ewigen schauen. Der aber kommt auf uns zu.

Wer weiß, dass seine Zukunft Jesus Christus heißt, wer weiß, dass Jesus Christus ihn schon erwartet in der ganz anderen Welt, der neuen Welt Gottes, der hat eine lebendige Hoffnung.

[ Lied: "Meine Hoffnung und meine Freude" ]

Ein alter Mann pflanzte ein Apfelbäumchen. Da lachten die Leute und sagten zu ihm: "Warum pflanzt du dieses Bäumchen? Viele Jahre werden vergehen, bis es Früchte trägt, und du selbst wirst von diesem Bäumchen keine Äpfel mehr essen können." Da antwortete der Alte: "Ich selbst werde keine ernten, aber wenn nach vielen Jahren andere die Äpfel von diesem Baum essen, werden sie mir dankbar sein."

Das Pflanzen eines Baumes oder das Setzen einer Blumenzwiebel zeigt, was Hoffnung bedeutet, und zwar in mehrfacher Hinsicht:

Eine Blumenzwiebel schaut nicht schön aus, nichts an ihr weist darauf hin, dass daraus eine wunderschöne rote, gelbe oder weiße Blume werden könnte mit grünen Stielen und Blättern

Ein Zweites: Ich muss etwas von mir weggeben. Wenn ich die Blumenzwiebel für mich behalte, sie irgendwo aufbewahre, weil ich sie schonen will, dann kommt sie nie dazu, den Zweck ihres Daseins zu erfüllen. Denn aus einer Blumenzwiebel kann noch viel mehr, etwas viel Schöneres werden.

Und wenn ich die Blumenzwiebel in die Erde stecke, dann sehe ich erst einmal nichts mehr davon. Und dennoch hoffe ich fest, dass aus dieser Blumenzwiebel nach Monaten, wenn der Winter vorbei ist, eine wunderschöne Blume wächst.

So ist es auch mit unserer Hoffnung als Christen.

Um Rübezahl, den sagenhaften Berggeist des Riesengebirges, ranken sich viele Legenden. Er neckt die Wanderer, führt sie in die Irre, wenn sie ihn ärgern, oder beschenkt sie, wenn sie ihn um Hilfe bitten. Und vor allem hütet er die riesigen Bergschätze.

Eine Sage erzählt, dass ihn eines Tages zwei arme Wanderer um eine milde Gabe bitten. Rübezahl gibt jedem von ihnen einen einfachen Stock. Der eine Wanderer verachtet das offensichtlich wertlose Geschenk, spottet über Rübezahl und wirft den Stock ärgerlich weg. Der andere behält ihn im Vertrauen darauf, dass er irgendeine Bedeutung und einen Wert hat. Bald darauf verwandelt sich der einfache Stock in pures Gold, macht den armen Wanderer reich und belohnt sein Vertrauen.

Gott hat uns viel verheißen und auf unsere Bitten hin uns manches anvertraut. Den Menschen scheint es bisweilen als wertloses Holz und sie werfen die Hoffnung fort. Aber das Vertrauen wird belohnt, die Verheißungen verwandeln sich dem Glaubenden in reiche Erfüllung und Belohnung. Hoffnung wird dann Vollendung sein.

Ich schließe mit einem Gedicht von Martin Luther King (1929-1968):

"Komme, was mag! Gott ist mächtig! Wenn unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine große segnende Kraft gibt, die Gott heißt. Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen. Er will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln - zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit. Amen.

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht einen gesegneten Sonntag!