30. "Leben live"-Gottesdienst, 07. 07. 2007
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart.
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Themenpredigt:
"Bitte anklopfen!"


Es gilt das gesprochene Wort!

Eine merkwürdige Situation. Da wartet einer auf Besuch. Und sitzt. Und wartet. Und sitzt. Und wartet. Schaut auf die Uhr. Doch die Dame seines Herzens lässt auf sich warten. Dabei steht sie vor der Tür. Und denkt sich: Hat er mich vergessen? Es war doch ausgemacht, dass wir uns treffen … Beide haben also zur richtigen Zeit einander erwartet. Beide waren nicht einmal zwei Meter voneinander entfernt. Das einzige "Problem", das zwischen den beiden stand, war eine Tür. Doch die Tür war eigentlich gar nicht das Problem. Denn eine Tür ist ja schließlich dazu da, dass man sie öffnen und schließen kann. Doch die Tür wurde nicht geöffnet. Warum? Weil niemand anklopfte.

Irgendwie erscheint diese Situation unwirklich. Kann man sich so etwas im wirklichen Leben ernsthaft vorstellen? Dass einer einen anderen besucht, weder klopft noch klingelt noch sich sonst irgendwie bemerkbar macht, und sich trotzdem wundert und ärgert, dass der nicht die Tür aufmacht.

Wenn man mit "wirklichem" Leben nur einen Bereich des Lebens meint, in dem Gott nicht vorkommt, dann mag es solche Situation niemals geben. Aber das "wirkliche" Leben umfasst nun einmal auch unser Verhältnis zu Gott. Ob es nun eine lebendige Beziehung zu Gott, ein Leben als Christ, ist, oder ob von meiner Seite aus gar keine Beziehung zu Gott besteht. Man könnte also auch sagen: das "wirkliche" Leben umfasst unser Verhältnis oder auch Nicht-Verhältnis zu Gott. Wenn wir das unter "wirklichem" Leben verstehen, fürchte ich, kommt diese Situation öfter vor, als man denkt.

Wir wundern uns, warum wir Gottes Wirken so wenig in unserem Leben erfahren. Dabei machen wir uns bei Gott gar nicht bemerkbar. "Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet", so schreibt der Jakobus, der leibliche Bruder von Jesus, in seinem Brief (Jakobus 4,2b). Auch wenn Gebet ganz sicher kein Wunscherfüllungsautomat ist, so stimmt es doch: Vieles geschieht auch einfach deshalb nicht, weil wir nicht beten. Paul Gerhardt sagt in seinem Lied "Befiehl du deine Wege" "Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein lässt Gott sich gar nichts nehmen; es muss erbeten sein." Das heißt doch: Selbst wenn wir uns noch so viele Sorgen machen, selbst wenn wir viel betrauern, selbst wenn wir unsere Not spüren - davon lässt Gott sich nicht beeindrucken; er will, dass wir ihm sagen, was uns bedrückt, er will, dass wir uns im Gebet ihm zuwenden.

- Klammer auf - Gott sei Dank handelt Gott manchmal auch, ohne dass wir ihn darum bitten. Er weiß, was wir brauchen, bevor wir ihn bitten. Gott sei Dank handelt Gott ganz oft über uns Bitten und Verstehen. Aber das ist seine freie Entscheidung, sein souveräner Wille, aus dem heraus er dann handelt. - Klammer zu -

Der Normalfall ist, dass wir beten! Unser heutiges "Leben live"-Motto "Bitte anklopfen!" nimmt Matthäus 7, Vers 7 auf, wo Jesus sagt: "Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan." Beides steht auf eurem Schild, das ihr am Anfang in die Hand gedrückt bekommen habt.

Jesus greift hier eine Beobachtung aus dem Alltag auf. Denn da gilt ja auch, und so sagt Jesus es dann auch im folgenden Vers: "Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan." Wir könnten alle unzählige Beispiele aus unserem Alltag finden, wo das gilt:

Wo wir nur etwas bekommen, wenn wir darum bitten …; wo wir nur etwas finden, wenn wir danach suchen …; wo uns nur geöffnet wird, wenn wir auch anklopfen …

Und so müssen wir uns die Frage stellen: Kann es sein, dass wir deshalb nicht bekommen, weil wir nicht bitten? Dass wir deshalb nichts finden, weil wir nicht suchen? Dass uns deshalb nicht geöffnet wird, weil wir nicht anklopfen?

Gott will es so. Gott will, dass wir die Initiative ergreifen, dass wir aktiv werden. Gott will die Ernsthaftigkeit unseres Wollens testen. Und Gott verspricht, dass er antwortet. Dass er auf unsere Gebete antwortet.

Dabei ist freilich zu beachten: Ein Automatismus ist es nicht. Vor allem müssen wir es wirklich Gott überlassen, wie er antwortet. Leer ausgehen werden wir mit Sicherheit nicht. Aber Gottes Antwort könnte eine andere sein, als wir sie uns ausdenken, erhoffen oder wünschen. Manchmal ist es auch so, dass wir meinen, Gott eine fertige Lösung vorlegen zu müssen; dabei hat er für uns eine viel bessere Lösung.

Das folgende Lied bringt zum Ausdruck, dass Gebet nicht auf die Sonnenzeiten des Lebens beschränkt ist. Ganz im Gegenteil!

[Lied: "Wenn die Last der Welt dir zu schaffen macht" ("Er hört dein Gebet")]

Wollen wir uns also noch ein wenig näher mit dem Gebet beschäftigen. Zum Gebet gibt es viel zu sagen. Ich möchte mich heute auf ein paar Grundfragen des Gebetes beschränken, die man alle durchaus noch vertiefen könnte.

1. Was ist Gebet?

Die Antwort ist klar: Gebet ist Reden mit Gott und Hören auf ihn. Man könnte es auch so sagen: Gebet ist der Teil der Beziehung zwischen Gott und Mensch, bei dem geredet wird. Damit ist klar, dass Gebet unverzichtbare Folge und Ausdruck meiner Beziehung zu Gott ist. Aber Gebet ist nicht die Beziehung selbst.

Wenn beispielsweise in einer Ehe nicht geredet wird, dann ist die Beziehung zwar schwer gestört und auch die Ehe in höchstem Maße gefährdet, aber noch nicht automatisch am Ende. Denn es gibt auch die sog. "nonverbale Kommunikation", also dass man Kontakt aufnimmt ohne Worte, durch Gesten, durch Körperhaltung, Mimik usw. Und so manche Kommunikationsstörung in menschlichen Beziehungen wird nicht zuallererst durch Worte, sondern durch "nonverbale Kommunikation" wieder geheilt. Ganz ohne Worte kann eine Beziehungsstörung nicht geheilt werden; aber die Worte müssen durchaus nicht immer das erste sein. Manchmal kann zum Beispiel ein Lächeln Wunder bewirken …

Auf unsere Beziehung mit Gott übertragen, heißt das: Die Beziehung zu Gott, die vielleicht brachliegt, kann auch durch das Lesen der Bibel, den Besuch eines Gottesdienstes, durch den Empfang des Hl. Abendmahls, durch einen Segen, durch Gemeinschaft mit anderen Christen neue Lebendigkeit und Frische bekommen. Und daraus kann eine neue Freude am Beten entstehen. Denn wenn wir das Gebet nur als Forderung verstehen ("Du musst beten!"), dann wird Gebet kaum Ausdruck einer lebendigen Beziehung werden, sondern nichts als lästige Pflichterfüllung.

2. Warum soll ich beten?

Die erste Antwort: Weil Gott es mir erlaubt, mit ihm zu reden, ja mehr noch: Er fordert mich auf zu beten.

Die zweite Antwort: Ich selber möchte beten, möchte mit meinem Gott reden, möchte durch das Gespräch mit Gott meine Beziehung zu ihm pflegen.

Die dritte Antwort: Ich bete, weil ich es nötig habe. Weil mir das Gebet gut tut. Und weil auf dem Gebet so viele Verheißungen liegen. Gott will mein Gebet erhören.

Und so kann ein Gebet auch am Anfang einer Beziehung zu Gott stehen, ja die Initialzündung zu einer solchen lebendigen Beziehung mit Jesus sein. Davon handelt das Lied: "Jesus, zu dir kann ich so kommen, wie ich bin" …

[Lied: "Jesus, zu dir kann ich so kommen, wie ich bin"]

3. Was soll ich beten?

Die Bibel ist voll von Beispielen und Modellen, wie Beten aussehen kann. Ein paar möchte ich nennen. Zunächst auf den Inhalt bezogen:

Anbetung: Gott bestaunen, ihn bewundern, von ihm ergriffen sein. "Ich will anbeten vor deinem heiligen Tempel und deinen Namen preisen für deine Güte und Treue; denn du hast deinen Namen und dein Wort herrlich gemacht über alles" (Psalm 138,2).

Lobpreis: Gott preisen für das, was er tut, wie er gehandelt hat, in der Schöpfung, im Leben seines Volkes, bei den Meinen und bei mir selbst. "Täglich rühmen wir uns Gottes und preisen deinen Namen ewiglich" (Psalm 44,9).

Dank: Das viele, das Gott tut, nicht als selbstverständlich nehmen, sondern ihm durch Dank Ehre erweisen. "Danket dem Herrn; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich" (Psalm 106,1). Der Apostel Paulus legt uns ans Herz, auch unsere Bitten immer mit dem Dank an Gott zu verbinden: "Lasst nicht nach im Beten, werdet nicht müde darin und tut es immer mit Dank!" (Kolosser 4,2 GNB).

Auch die Klage hat bei Gott ihren Platz, solange ich ihn nicht anklage, sondern ihm mein Herz ausschütte und ihm meine Not sage. "Ich wache und klage wie ein einsamer Vogel auf dem Dache" (Psalm 102,8).

Die Buße ist eine weitere Form des Gebetes: Ich bitte Gott um Vergebung für das, was in meinem Leben nicht in Ordnung ist, wo ich schuldig geworden bin vor ihm in Gedanken, Worten oder Taten. "Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit" (Psalm 51,1). Eine besondere Form des Bußgebetes ist das Beichtgebet, wo ich meine Schuld bekenne und mir durch einen berufenen und beauftragten Diener Jesu Christi die Vergebung zugesprochen wird. Das Modell dafür finden wir bereits im Alten Testament: "Da sprach David zu Nathan: ›Ich habe gesündigt gegen den Herrn.‹ Nathan sprach zu David: ›So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben.‹" (2. Samuel 12,13).

Die Bitte: "Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan" (Matthäus 7,7). Von allen Gebetsformen dürfte das Bittgebet das am häufigsten praktizierte sein. Und deshalb ist es meistens ein Alarmsignal, wenn das Bittgebet versandet. Denn dann wird meist auch überhaupt nicht mehr gebetet.

Schließlich ist noch die Fürbitte zu nennen: Für andere beten, für meine Familie, meine Verwandten. Fürbitte "an fünf Fingern": Daumen zeigt auf mich selbst: die Meinen und ich … - der erhobene Zeigefinger: Lehrer, Pfarrer, Missionare … - der vorstehende Mittelfinger: die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft … - der schwache Ringfinger: die Schwachen, Armen, Kranken, Sterbenden … - der kleine Finger: die Kleinen, die Kinder …

Nachdem wir uns mit dem Inhalt des Gebetes beschäftigt haben, noch ein paar Bemerkungen zu Form und "Rahmen" des Gebetes.

Beten kann ich ganz für mich allein. "Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten" (Matthäus 6,6) Auch von Jesus lesen wir: "Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und am Abend war er dort allein" (Matthäus 14,23).

Beten kann man in kleiner Gemeinschaft, zu zweit oder zu dritt. "Wahrlich, ich sage euch auch: "Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen" (Matthäus 18,19f). Eigens erwähnt wird in der Heiligen Schrift das Gebet in der Ehe: So schreibt der Apostel Petrus in seinem Brief: "Ihr Männer, nehmt Rücksicht auf eure Frauen, so wie sie es als die Schwächeren brauchen; achtet und ehrt sie … Nichts soll zwischen euch stehen, das euch am gemeinsamen Beten hindert" (1. Petrus 3,7 HfA), ganz ähnlich auch der Apostel Paulus (1. Korinther 7,5).

Beten kann man in großer Versammlung oder im Gottesdienst. "Lobet Gott in den Versammlungen …" (Psalm 68,27).

Beten kann im Stillen geschehen oder laut.

Man kann vorgegebene Worte verwenden oder frei sprechen.

Gebete können auch eine Liedform, eine Melodie haben. Alle Lieder, in denen Gott in der 2. Person angeredet wird (wo also nicht über ihn in der 3. Person gesprochen wird!), sind Gebete.

Die Vielfalt, wie Gebet aussehen kann, ist also beinahe unendlich groß. Die eine Form ist nicht besser als die andere.

Deshalb noch ein Wort zum liturgischen Beten: Auch das liturgische Beten ist nicht besser oder schlechter als das freie Beten. Ein Blick in die Bibel zeigt, dass es dort ein reiches Erbe an liturgisch festgelegten Texten und Gebeten - im Alten wie im Neuen Testament! (Psalmen, Offenbarung, Vaterunser, Hymnen im Neuen Testament …) - gibt und zugleich dieses Erbe immer wieder neu und frei gestaltet wurde. Freies Gebet und feste Liturgie bilden kein Gegeneinander, sondern ergänzen sich gegenseitig.

Diese Beschäftigung mit den Grundfragen des Gebetes soll nicht als Technik missverstanden werden. Der Sinn war vielmehr eine Weitung des Horizontes. Gebet ist mehr!

Und damit sind wir wieder bei dem, was ich am Anfang sagte. Gebet ist Folge und Ausdruck der Beziehung zu Gott.

Jesu Aufforderung: "Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan" dürfen wir deshalb getrost in einem ganz weiten Sinn verstehen. Natürlich ist es zuerst eine Aufforderung zum Bittgebet. Dann aber auch zum Beten überhaupt. Und so könnte das Schild, das bei manchen Behörden an der Tür klebt, "Bitte anklopfen!", - recht verstanden - zu einer Art Lebensmotto werden für ein Leben des Gebets.

[Lied: "Herr, deine Güte reicht so weit"]

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht einen gesegneten Sonntag!