Themenpredigt:
"Bitte anklopfen!"
Es gilt das gesprochene Wort!
Eine merkwürdige Situation. Da wartet
einer auf Besuch. Und sitzt. Und wartet. Und sitzt. Und wartet. Schaut auf die Uhr.
Doch die Dame seines Herzens lässt auf sich warten. Dabei steht sie vor der Tür.
Und denkt sich: Hat er mich vergessen? Es war doch ausgemacht, dass wir uns treffen
Beide haben also zur richtigen Zeit einander erwartet. Beide waren nicht einmal
zwei Meter voneinander entfernt. Das einzige "Problem", das zwischen den
beiden stand, war eine Tür. Doch die Tür war eigentlich gar nicht das Problem.
Denn eine Tür ist ja schließlich dazu da, dass man sie öffnen und schließen
kann. Doch die Tür wurde nicht geöffnet. Warum? Weil niemand anklopfte.
Irgendwie erscheint diese Situation unwirklich. Kann
man sich so etwas im wirklichen Leben ernsthaft vorstellen? Dass einer einen anderen
besucht, weder klopft noch klingelt noch sich sonst irgendwie bemerkbar macht, und
sich trotzdem wundert und ärgert, dass der nicht die Tür aufmacht.
Wenn man mit "wirklichem" Leben nur einen
Bereich des Lebens meint, in dem Gott nicht vorkommt, dann mag es solche Situation
niemals geben. Aber das "wirkliche" Leben umfasst nun einmal auch unser Verhältnis
zu Gott. Ob es nun eine lebendige Beziehung zu Gott, ein Leben als Christ, ist, oder
ob von meiner Seite aus gar keine Beziehung zu Gott besteht. Man könnte also auch
sagen: das "wirkliche" Leben umfasst unser Verhältnis oder auch Nicht-Verhältnis
zu Gott. Wenn wir das unter "wirklichem" Leben verstehen, fürchte ich,
kommt diese Situation öfter vor, als man denkt.
Wir wundern uns, warum wir Gottes Wirken so wenig in
unserem Leben erfahren. Dabei machen wir uns bei Gott gar nicht bemerkbar. "Ihr
habt nichts, weil ihr nicht bittet", so schreibt der Jakobus, der leibliche Bruder
von Jesus, in seinem Brief (Jakobus 4,2b). Auch wenn Gebet ganz sicher kein Wunscherfüllungsautomat
ist, so stimmt es doch: Vieles geschieht auch einfach deshalb nicht, weil wir nicht
beten. Paul Gerhardt sagt in seinem Lied "Befiehl du deine Wege" "Mit
Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein lässt Gott sich gar nichts
nehmen; es muss erbeten sein." Das heißt doch: Selbst wenn wir uns noch
so viele Sorgen machen, selbst wenn wir viel betrauern, selbst wenn wir unsere Not
spüren - davon lässt Gott sich nicht beeindrucken; er will, dass wir ihm
sagen, was uns bedrückt, er will, dass wir uns im Gebet ihm zuwenden.
- Klammer auf - Gott sei Dank handelt Gott manchmal
auch, ohne dass wir ihn darum bitten. Er weiß, was wir brauchen, bevor wir ihn
bitten. Gott sei Dank handelt Gott ganz oft über uns Bitten und Verstehen. Aber
das ist seine freie Entscheidung, sein souveräner Wille, aus dem heraus er dann
handelt. - Klammer zu -
Der Normalfall ist, dass wir beten! Unser heutiges
"Leben live"-Motto "Bitte anklopfen!" nimmt Matthäus 7, Vers
7 auf, wo Jesus sagt: "Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden;
klopfet an, so wird euch aufgetan." Beides steht auf eurem Schild, das ihr am
Anfang in die Hand gedrückt bekommen habt.
Jesus greift hier eine Beobachtung aus dem Alltag auf.
Denn da gilt ja auch, und so sagt Jesus es dann auch im folgenden Vers: "Denn
wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft,
dem wird aufgetan." Wir könnten alle unzählige Beispiele aus unserem
Alltag finden, wo das gilt:
Wo wir nur etwas bekommen, wenn wir darum bitten
;
wo wir nur etwas finden, wenn wir danach suchen
; wo uns nur geöffnet wird,
wenn wir auch anklopfen
Und so müssen wir uns die Frage stellen: Kann
es sein, dass wir deshalb nicht bekommen, weil wir nicht bitten? Dass wir deshalb nichts
finden, weil wir nicht suchen? Dass uns deshalb nicht geöffnet wird, weil wir
nicht anklopfen?
Gott will es so. Gott will, dass wir die Initiative
ergreifen, dass wir aktiv werden. Gott will die Ernsthaftigkeit unseres Wollens testen.
Und Gott verspricht, dass er antwortet. Dass er auf unsere Gebete antwortet.
Dabei ist freilich zu beachten: Ein Automatismus ist
es nicht. Vor allem müssen wir es wirklich Gott überlassen, wie er antwortet.
Leer ausgehen werden wir mit Sicherheit nicht. Aber Gottes Antwort könnte eine
andere sein, als wir sie uns ausdenken, erhoffen oder wünschen. Manchmal ist es
auch so, dass wir meinen, Gott eine fertige Lösung vorlegen zu müssen; dabei
hat er für uns eine viel bessere Lösung.
Das folgende Lied bringt zum Ausdruck, dass Gebet nicht
auf die Sonnenzeiten des Lebens beschränkt ist. Ganz im Gegenteil!
[Lied: "Wenn die Last der Welt dir zu schaffen
macht" ("Er hört dein Gebet")]
Wollen wir uns also noch ein wenig näher mit dem
Gebet beschäftigen. Zum Gebet gibt es viel zu sagen. Ich möchte mich heute
auf ein paar Grundfragen des Gebetes beschränken, die man alle durchaus noch vertiefen
könnte.
1. Was ist Gebet?
Die Antwort ist klar: Gebet ist Reden mit Gott und
Hören auf ihn. Man könnte es auch so sagen: Gebet ist der Teil der Beziehung
zwischen Gott und Mensch, bei dem geredet wird. Damit ist klar, dass Gebet unverzichtbare
Folge und Ausdruck meiner Beziehung zu Gott ist. Aber Gebet ist nicht die Beziehung
selbst.
Wenn beispielsweise in einer Ehe nicht geredet wird,
dann ist die Beziehung zwar schwer gestört und auch die Ehe in höchstem Maße
gefährdet, aber noch nicht automatisch am Ende. Denn es gibt auch die sog. "nonverbale
Kommunikation", also dass man Kontakt aufnimmt ohne Worte, durch Gesten, durch
Körperhaltung, Mimik usw. Und so manche Kommunikationsstörung in menschlichen
Beziehungen wird nicht zuallererst durch Worte, sondern durch "nonverbale Kommunikation"
wieder geheilt. Ganz ohne Worte kann eine Beziehungsstörung nicht geheilt werden;
aber die Worte müssen durchaus nicht immer das erste sein. Manchmal kann zum Beispiel
ein Lächeln Wunder bewirken
Auf unsere Beziehung mit Gott übertragen, heißt
das: Die Beziehung zu Gott, die vielleicht brachliegt, kann auch durch das Lesen der
Bibel, den Besuch eines Gottesdienstes, durch den Empfang des Hl. Abendmahls, durch
einen Segen, durch Gemeinschaft mit anderen Christen neue Lebendigkeit und Frische
bekommen. Und daraus kann eine neue Freude am Beten entstehen. Denn wenn wir das Gebet
nur als Forderung verstehen ("Du musst beten!"), dann wird Gebet kaum Ausdruck
einer lebendigen Beziehung werden, sondern nichts als lästige Pflichterfüllung.
2. Warum soll ich beten?
Die erste Antwort: Weil Gott es mir erlaubt, mit ihm
zu reden, ja mehr noch: Er fordert mich auf zu beten.
Die zweite Antwort: Ich selber möchte beten, möchte
mit meinem Gott reden, möchte durch das Gespräch mit Gott meine Beziehung
zu ihm pflegen.
Die dritte Antwort: Ich bete, weil ich es nötig
habe. Weil mir das Gebet gut tut. Und weil auf dem Gebet so viele Verheißungen
liegen. Gott will mein Gebet erhören.
Und so kann ein Gebet auch am Anfang einer Beziehung
zu Gott stehen, ja die Initialzündung zu einer solchen lebendigen Beziehung mit
Jesus sein. Davon handelt das Lied: "Jesus, zu dir kann ich so kommen, wie ich
bin"
[Lied: "Jesus, zu dir kann ich so kommen, wie
ich bin"]
3. Was soll ich beten?
Die Bibel ist voll von Beispielen und Modellen, wie
Beten aussehen kann. Ein paar möchte ich nennen. Zunächst auf den Inhalt
bezogen:
Anbetung: Gott bestaunen, ihn bewundern, von ihm ergriffen
sein. "Ich will anbeten vor deinem heiligen Tempel und deinen Namen preisen für
deine Güte und Treue; denn du hast deinen Namen und dein Wort herrlich gemacht
über alles" (Psalm 138,2).
Lobpreis: Gott preisen für das, was er tut, wie
er gehandelt hat, in der Schöpfung, im Leben seines Volkes, bei den Meinen und
bei mir selbst. "Täglich rühmen wir uns Gottes und preisen deinen Namen
ewiglich" (Psalm 44,9).
Dank: Das viele, das Gott tut, nicht als selbstverständlich
nehmen, sondern ihm durch Dank Ehre erweisen. "Danket dem Herrn; denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich" (Psalm 106,1). Der Apostel Paulus legt
uns ans Herz, auch unsere Bitten immer mit dem Dank an Gott zu verbinden: "Lasst
nicht nach im Beten, werdet nicht müde darin und tut es immer mit Dank!"
(Kolosser 4,2 GNB).
Auch die Klage hat bei Gott ihren Platz, solange ich
ihn nicht anklage, sondern ihm mein Herz ausschütte und ihm meine Not sage. "Ich
wache und klage wie ein einsamer Vogel auf dem Dache" (Psalm 102,8).
Die Buße ist eine weitere Form des Gebetes: Ich
bitte Gott um Vergebung für das, was in meinem Leben nicht in Ordnung ist, wo
ich schuldig geworden bin vor ihm in Gedanken, Worten oder Taten. "Gott, sei mir
gnädig nach deiner Güte, und tilge meine Sünden nach deiner großen
Barmherzigkeit" (Psalm 51,1). Eine besondere Form des Bußgebetes ist das
Beichtgebet, wo ich meine Schuld bekenne und mir durch einen berufenen und beauftragten
Diener Jesu Christi die Vergebung zugesprochen wird. Das Modell dafür finden wir
bereits im Alten Testament: "Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt
gegen den Herrn. Nathan sprach zu David: So hat auch der Herr deine Sünde
weggenommen; du wirst nicht sterben." (2. Samuel 12,13).
Die Bitte: "Bittet, so wird euch gegeben; suchet,
so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan" (Matthäus 7,7).
Von allen Gebetsformen dürfte das Bittgebet das am häufigsten praktizierte
sein. Und deshalb ist es meistens ein Alarmsignal, wenn das Bittgebet versandet. Denn
dann wird meist auch überhaupt nicht mehr gebetet.
Schließlich ist noch die Fürbitte zu nennen:
Für andere beten, für meine Familie, meine Verwandten. Fürbitte "an
fünf Fingern": Daumen zeigt auf mich selbst: die Meinen und ich
-
der erhobene Zeigefinger: Lehrer, Pfarrer, Missionare
- der vorstehende Mittelfinger:
die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft
- der schwache Ringfinger: die Schwachen,
Armen, Kranken, Sterbenden
- der kleine Finger: die Kleinen, die Kinder
Nachdem wir uns mit dem Inhalt des Gebetes beschäftigt
haben, noch ein paar Bemerkungen zu Form und "Rahmen" des Gebetes.
Beten kann ich ganz für mich allein. "Wenn
du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und
bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene
sieht, wird dir's vergelten" (Matthäus 6,6) Auch von Jesus lesen wir: "Und
als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und
am Abend war er dort allein" (Matthäus 14,23).
Beten kann man in kleiner Gemeinschaft, zu zweit oder
zu dritt. "Wahrlich, ich sage euch auch: "Wenn zwei unter euch eins werden
auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im
Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter
ihnen" (Matthäus 18,19f). Eigens erwähnt wird in der Heiligen Schrift
das Gebet in der Ehe: So schreibt der Apostel Petrus in seinem Brief: "Ihr Männer,
nehmt Rücksicht auf eure Frauen, so wie sie es als die Schwächeren brauchen;
achtet und ehrt sie
Nichts soll zwischen euch stehen, das euch am gemeinsamen
Beten hindert" (1. Petrus 3,7 HfA), ganz ähnlich auch der Apostel Paulus
(1. Korinther 7,5).
Beten kann man in großer Versammlung oder im
Gottesdienst. "Lobet Gott in den Versammlungen
" (Psalm 68,27).
Beten kann im Stillen geschehen oder laut.
Man kann vorgegebene Worte verwenden oder frei sprechen.
Gebete können auch eine Liedform, eine Melodie
haben. Alle Lieder, in denen Gott in der 2. Person angeredet wird (wo also nicht über
ihn in der 3. Person gesprochen wird!), sind Gebete.
Die Vielfalt, wie Gebet aussehen kann, ist also beinahe
unendlich groß. Die eine Form ist nicht besser als die andere.
Deshalb noch ein Wort zum liturgischen Beten: Auch
das liturgische Beten ist nicht besser oder schlechter als das freie Beten. Ein Blick
in die Bibel zeigt, dass es dort ein reiches Erbe an liturgisch festgelegten Texten
und Gebeten - im Alten wie im Neuen Testament! (Psalmen, Offenbarung, Vaterunser, Hymnen
im Neuen Testament
) - gibt und zugleich dieses Erbe immer wieder neu und frei
gestaltet wurde. Freies Gebet und feste Liturgie bilden kein Gegeneinander, sondern
ergänzen sich gegenseitig.
Diese Beschäftigung mit den Grundfragen des Gebetes
soll nicht als Technik missverstanden werden. Der Sinn war vielmehr eine Weitung des
Horizontes. Gebet ist mehr!
Und damit sind wir wieder bei dem, was ich am Anfang
sagte. Gebet ist Folge und Ausdruck der Beziehung zu Gott.
Jesu Aufforderung: "Bittet, so wird euch gegeben;
suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan" dürfen wir
deshalb getrost in einem ganz weiten Sinn verstehen. Natürlich ist es zuerst eine
Aufforderung zum Bittgebet. Dann aber auch zum Beten überhaupt. Und so könnte
das Schild, das bei manchen Behörden an der Tür klebt, "Bitte anklopfen!",
- recht verstanden - zu einer Art Lebensmotto werden für ein Leben des Gebets.
[Lied: "Herr, deine Güte reicht so weit"]
Die Kirchengemeinde
Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht einen gesegneten Sonntag!
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