25. "Leben live"-Gottesdienst, 30. Oktober 2006
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart.
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Themenpredigt: "In guten Händen"


Es gilt das gesprochene Wort!


Hat jemand schon einmal die Wendung "in bösen Händen" oder "in schlechten Händen" gehört? … Es ist schon interessant, dass man sehr wohl davon spricht, dass man "in guten Händen" ist, aber das Gegenteil so nicht ausgedrückt werden kann. Es ist so, als ob Hände grundsätzlich nur Gutes tun könnten. Dabei wissen wir nur zu gut, dass Hände sehr viel zerstören und kaputt machen können. Trotzdem steckt dahinter wohl eine Ahnung davon, dass Hände eigentlich dazu da sind, Gutes zu tun.

Als du vorhin zur Kirchentür hereingekommen bist, wurde dir die Hand geschüttelt, zur Begrüßung, zum Zeichen dafür, dass du hier willkommen bist. Ein Leben ohne Hände - das können wir uns nur recht schwer vorstellen. Unsere Hände sind wie Werkzeuge, Instrumente, mit denen wir Arbeiten verrichten, etwas aufbauen und niederreißen, etwas schaffen oder aber vernichten. Unsere Hände schreiben nieder, was unser Gehirn denkt, sie drücken in Buchstaben, in Bewegungen, in spontanen oder absichtlichen Gesten das aus, was uns innerlich bewegt.

Das deutsche Wort "Hand" hat übrigens eine eigene kleine Geschichte. Das gotische Wort "hinpan", von dem unser Wort "Hand" abgeleitet ist, bedeutet "greifen, fassen, zupacken". Unsere Hand ist also die "Greiferin", das Instrument, mit dem wir etwas fassen, erfassen. Im Englischen besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Hand und dem, was die Hand tut. Der englische Ausdruck "to handle something" meint, mit einer Sache umgehen, sich mit etwas beschäftigen, etwas erledigen, etwas be-hand-eln.

Auch wir nehmen die Hand in unsere Sprache auf: Wenn ich etwas behandle, dann geht es durch meine Hände. Und hoffentlich verlässt es meine Hände in einem besseren Zustand, als es vorher war. Das bringt uns zu der ganz persönlichen Frage: Wie gehen wir mit dem um, was uns anvertraut wurde - mit Aufgaben, Arbeiten, Menschen? Unsere Hände - können sie nur zupacken, anfassen, oder auch liebevoll und zärtlich sein, tröstend, hilfsbereit und kreativ? Was haben unsere Hände gelernt, wie viel vermitteln sie von dem, was wir denken und fühlen?

Apropros Zustand: Welche Geschichte erzählen deine Hände? Gibt es da vielleicht Spuren - von früheren Verletzungen, kleine Narben? Oder erzählen deine Hände, dass du viel bei Wind und Wetter gearbeitet hast? Vielleicht ist deine Hand auch noch ganz unberührt, noch verschont geblieben von den Spuren des Lebens. Und sogar dann erzählt sie eine Geschichte, die nur du kennst. Denn niemand wird je die gleichen Linien haben, die deine Handfläche zeigt, und niemand wird je deinen Fingerabdruck aufweisen können.

Viele Bücher sind schon darüber geschrieben worden, was Hände alles verraten oder ausdrücken. Angeblich kann man an der Art der Finger erkennen - an der Länge und der Breite und der Form der Fingerspitzen -, wer ein potenzieller Verbrecher ist und wer ein begabter Künstler, wer sich besonders sensibel zeigt und wer eher rücksichtslos durch die Welt geht. Nun, das mögen wohl Spekulationen und Hypothesen bleiben.

Nicht um Vermutungen, sondern um erlebbare Tatsachen geht es allerdings in der Bibel, die sich mit einer ganz besonderen Hand beschäftigt - mit der Hand Gottes. In der christlichen Glaubenslehre reden wir ja von der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Das wird manchmal so verstanden, als hätte Gott menschliche Züge. Doch da werden Ursache und Wirkung verwechselt. Nicht Gott hat menschliche Züge, sondern der Mensch ist ein Abbild Gottes. Der Mensch hat göttliche Züge. Vieles, was Gott "hat", hat auch der Mensch. Und als es die Sünde noch nicht gab, war der Mensch tatsächlich ein vollkommenes Ebenbild, ein Spiegelbild Gottes. Man kann es sich - stark vergröbert und vereinfacht! - an dem Verhältnis zwischen Original und Kopie deutlich machen. Nicht der Mensch ist das Original und Gott die Kopie, sondern umgekehrt. Der Mensch ist die Kopie, Gott das Original.

Wenn nun der Mensch Hände hat, dann verwundert es nicht, dass in der Bibel auch von Gottes Händen bzw. von Gottes Hand die Rede ist. 32-mal finden wir die Wendung "Hand des Herrn", 7-mal "Hand Gottes". Wortstatistik mag interessant sein, wichtiger freilich sind die Inhalte. Und überhaupt, viel, viel öfter, nämlich einige hundert Mal ist von Gottes Hand die Rede, nur halt nicht in der festen Wendung "Hand des Herrn" bzw. "Hand Gottes". Und überall fällt auf, dass es nicht einen bestimmten Zusammenhang gibt, in dem von der Hand Gottes die Rede ist, sondern dieser Ausdruck vielmehr das Handeln Gottes in seiner ganzen Vielfalt meint. Immer aber liegt die Betonung darauf, dass es ein Gott ist, der handelt, der nicht stumm allem zusieht und es laufen lässt, sondern der bewusst - strafend oder tröstend, zerstörend oder heilend - eingreift.

In guten Händen sind wir bei dem lebendigen Gott, weil er der gute Hirte ist und weil er dein Hirte sein will. Der 23. Psalm vom guten Hirten enthält so viele "Facetten", das ganze menschliche Leben mit all seinen Höhen und Tiefen kommt darin vor, dass es gut ist, wenn wir uns auf einen Vers aus diesem Psalm beschränken.

Es ist ein Vers, der im Gegensatz zu den anderen dieses Psalms nur selten als Taufspruch, Konfirmationsspruch oder Trauspruch verwendet wird. Wir haben ihn vorhin gehört, den zweiten Teil von Vers 5: "Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein."

Hier spricht David, der Psalmbeter, nicht mehr nur von dem Hirten, sondern er greift zu einem neuen Bild, um Gott in seiner Fürsorglichkeit zu charakterisieren. Gott wird als großzügiger Gastgeber vorgestellt. Das sind die zwei Stichworte, unter denen der 23. Psalm zusammengefasst werden kann: "Hirt und Wirt".

In Vers 5 befinden wir uns in dem Teil des Psalms, der uns von Gott das Bild eines Wirtes zeichnet. Dieser Teil, der die Verse 5 und 6 umfasst, unterscheidet sich ja auch noch in einem anderen, rein äußerlichen Punkt, von den Hirten-Versen: Während David vorher immer von Gott in der 3. Person spricht, also über Gott spricht: "Der Herr ist mein Hirte … Er weidet mich … führet mich … Er erquicket … Er führet …", wechselt am Ende der Hirten-Verse die Person von der 3. zur 2., David geht in die direkte Anrede Gottes über, in das eigentliche Gebet: "… denn du bist bei mir." Und genau so setzt es sich in Vers 5 fort: "Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein."

"Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde." Wenn Gott den Tisch "im Angesicht meiner Feinde" bereitet, so wird daraus zweierlei erkennbar: David, der Beter dieses Psalms weiß, dass es Menschen gibt, die ihm Übles wollen. Vor diesen Menschen aber muss er sich nicht fürchten, wenn er bei dem lebendigen Gott zu Gast ist. Denn er beschützt ihn. Es ist ihm, der von Gott bewirtet wird, - im Gegenteil - eine besondere Genugtuung, wenn seine Feinde mit ansehen müssen, wie er von Gott wie ein König behandelt wird.

"Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein." Die Salbung des Hauptes mit wohlriechendem Öl war eine Ehre, die den Königen und Priestern Israels als Zeichen ihrer göttlichen Erwählung zuteil wurde.

So lesen wir etwa: "Da nahm Samuel den Krug mit Öl und goss es auf Sauls Haupt und küsste ihn und sprach: Siehe, der Herr hat dich zum Fürsten über sein Erbteil gesalbt" (1. Samuel 10,1). "… nimm den Krug mit Öl und gieß es auf Jehus Haupt und sprich: So sagt der Herr: Ich habe dich zum König über Israel gesalbt!" (2. Könige 9,3). Und in Psalm 45 sagt Gott zum König: "Du liebst Gerechtigkeit und hassest gottloses Treiben; darum hat dich der Herr, dein Gott, gesalbt mit Freudenöl wie keinen deinesgleichen" (V. 8).

Menschen, die zu Jesus Christus gehören, werden im Neuen Testament als Könige und Priester bezeichnet (Offenbarung 1,6; 5,10; 1. Petrus 2,9). Damit ist die Salbung nicht mehr ausschließlich auf Könige im politischen Sinne beschränkt, sondern allgemein ein Zeichen von Freude, Festlichkeit, von Heil und Heilung.

Wie hat man sich nun eine solche Salbung vorzustellen? Die Bibel selber beschreibt uns, wie Salbung durchgeführt wurde. Salbung war zu Zeiten des Alten Testament eine ziemlich "ölige" Angelegenheit. Von wegen ein Tropfen auf die Stirn oder so. Ein ganzer Krug mit Öl wurde über dem Kopf ausgegossen, Psalm 133 schwärmt geradezu vom "feine[n] Salböl auf dem Haupte Aarons, das herabfließt in seinen Bart, das herabfließt zum Saum seines Kleides" (V. 2), das hier ein Sinnbild für die brüderliche und schwesterliche Gemeinschaft ist. Dass im Neuen Testament die Salbung mit Öl noch eine ganz spezielle Bedeutung hat, nämlich als Krankensalbung (Jakobus 5,1ff), das sei hier nur kurz erwähnt und müsste gewiss ausführlicher behandelt werden.

"Du salbest mein Haupt mit Öl" - das bedeutet also so viel, wie wenn einer zu Gott sagen kann: Du machst mich zu einem König. Du erweist mir armen, sündhaften Menschen Ehre. Du hast Großes mit mir vor. Ich bin dir wichtig. Du tust mir Gutes. Mit dir zu leben, das ist das Beste, was es gibt. Bei dir ist mein Leben, bin ich in guten Händen, ja in den besten Händen. Mir dir bekommt mein Leben eine festliche Note. Mein ganzes Leben wird zu einem Fest, in dem du mein Gastgeber bist.

Und du bewirtest mich nicht sparsam, sondern feudal und königlich. Ja, "du schenkest mir voll ein", wörtlich steht hier sogar: "mein Becher fließt über". Das erinnert ganz spontan an das Jesuswort: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen" (Johannes 10,10); auch hier steht wörtlich: "das Leben, und zwar überfließendes Leben". Gott ist es, der uns - im Gegensatz zu anderen - voll einschenkt. Der volle Becher macht deutlich, dass Gott uns nicht nur ein bisschen Leben gibt - ganz sparsam, nur ja nicht zu viel … -, sondern die Fülle. Ja, "all die Fülle ist in dir, o Herr". Nun wird ja hier nicht gesagt, was sich in dem Becher befindet. Aber es ist anzunehmen, dass es der Becher mit Wein ist, denn eben das hier verwendete Wort (kos) begegnet sonst meist im Zusammenhang mit Wein. Dann aber bekommen diese Worte noch einmal eine tiefere Bedeutung. Wein im Überfluss ist nämlich ein Bild für das Heil, das Gott den Seinen am Ende schenken wird. Das wird auch an dem Weinwunder bei der Hochzeit zu Kana deutlich, wo Jesus Wasser in Wein verwandelt, und dieser Wein dann im Überfluss vorhanden ist.

Die Bibel berichtet immer wieder vom Handeln und Eingreifen Gottes im Leben von Menschen, die sich ihm anvertraut haben. Seine Gegenwart hat entscheidende Änderungen bewirkt und neue Perspektiven geschaffen.

Gott ist der Vater, der seine Kinder niemals im Stich lässt, der Hirte, der für die Seinen sorgt. Er ist der Gott, der unsere Lasten trägt und uns davon frei macht. Wer die Hand Gottes ergreift, ganz praktisch im Leben, im Alltag, der greift nach etwas, was sich wirklich lohnt!

Ich möchte mit einem alten Lied (EG 406,2) schließen. Philipp Spitta (1801-1859) fragt in seinem Lied, und er richtet diese Frage an Jesus. Eine Frage, deren Antwort auf der Hand liegt: Nein!

Könnt ich's irgend besser haben
als bei dir, der allezeit
so viel tausend Gnadengaben
für mich Armen hat bereit?
Könnt ich je getroster werden
als bei dir, Herr Jesu Christ,
dem im Himmel und auf Erden
alle Macht gegeben ist?

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht einen gesegneten Sonntag!