23. "Leben live"-Gottesdienst, 20. Mai 2006
Der Gottesdienst wurde vorbereitet vom Gottesdienstteam. Die Predigt hielt Pfarrer Thomas Lorenz.

Die verwendeten Bibeltexte sind - soweit nicht anders angegeben - mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnommen aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984,
durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.
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Themenpredigt: "Ohne Fleiß kein Preis?!"


Es gilt das gesprochene Wort!

[Teil 1] - Ich finde das schön, dass heute so viele aus unserer Musikschule im "Leben live"-Gottesdienst mitwirken. Immerhin ein dreiviertel Jahr habt ihr alle jetzt schon hinter euch in diesem Musikschuljahr. Einige sind vielleicht schon ein paar Jahre in unserer Musikschule. Und wir haben bewusst diesen "Leben live"-Gottesdienst heute im Mai ausgewählt, denn wenn wir den im September genommen hätten, dann hätten wir nur Schüler nehmen können, die schon über ein Jahr Musikunterricht nehmen. Denn stellt euch einmal vor, wir hätten hier ein paar Schüler gebeten, vorzuspielen, die gerade mit dem Unterricht angefangen haben, vielleicht eine Stunde hinter sich haben. Abgesehen davon, dass sich jeder geweigert hätte, hier in der Kirche mitzuspielen … Aber wenn sie doch gespielt hätten, dann hätte es jämmerliche Töne hier in der Kirche zu hören gegeben.

Es ist eben klar, und viele Sprichwörter bestätigen es. "Aller Anfang ist schwer." "Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen." Wenn man nicht gerade ein Musikgenie ist wie zum Beispiel Mozart, dann kommt man um das intensive Üben nicht herum. Und je nachdem, welches Instrument ich spiele, brauche ich auch mehr oder weniger lang, bis ich ihm die ersten schönen Töne entlocken kann. Aber wenn ich mein Instrument nur alle paar Wochen aus dem Koffer hole, dann werde ich keine Erfolge sehen. Und wenn ich keine Erfolge sehe, dann vergeht mir schnell die Lust, überhaupt weiterzumachen. Und umgekehrt spornen mich Erfolge an, erst recht weiterzumachen und mein Musizieren weiter zu verbessern und in seiner Qualität zu steigern. Genau das will ja das Sprichwort "Ohne Fleiß kein Preis" zum Ausdruck bringen. Wenn es also ums Spielen eines Musikinstrumentes, ums Musizieren geht, dann können wir diese Formel "Ohne Fleiß kein Preis" gewiss bestätigen und sie mit einem Ausrufezeichen versehen.

Doch was fürs Musikmachen gilt, das gilt auch für viele andere Dinge im Leben. Im Sport etwa: Wer nicht regelmäßig Sport macht und trainiert, der wird keine Leistungssteigerung erleben. Ohne Fleiß kein Preis! Es gilt in der Schule: Wenn ich nicht meine Hausaufgaben mache, die nächste Unterrichtsstunde vorbereite, lerne und übe, dann sind meine "Belohnung" schlechte Noten. Ohne Fleiß kein Preis! Und ich könnte noch viele weitere Bereiche nennen, in denen die Devise "Ohne Fleiß kein Preis" uneingeschränkt gilt.

[Musik]

[Teil 2 - ] Nun gibt es aber einen Bereich, bei dem bei vielen hinter dieser Formel "Ohne Fleiß kein Preis" kein Ausrufezeichen steht, sondern ein dickes Fragezeichen: "Ohne Fleiß kein Preis?" Während es uns im übrigen Leben ohne weiteres einleuchtet, ziehen wir die Wahrheit dieses Satzes in einem Bereich gern in Zweifel. Ich meine den Bereich des Glaubens.

Wenn ich sage "Ohne Fleiß gibt es auch im Glauben keinen Preis", dann ernte ich wahrscheinlich sehr schnell Widerspruch. Dabei kann der Bewegrund, das Motiv, warum man diese Aussage bestreitet, durchaus unterschiedlich sein.

Da gibt es die einen, die Leichtfertigen möchte ich sie nennen, die sagen: "Ich bin doch getauft und konfirmiert, habe noch niemanden umgebracht und versuche auch sonst, ein guter Mensch zu sein. Warum sollte ich den Preis des ewigen Lebens nicht bekommen? Was überhaupt soll das sein, Fleiß in Glaubensdingen?"

Dann gibt es aber auch die, die Sorge haben um die Reinheit des evangelischen Glaubens, die Bedenkenträger, die sagen: "Hat nicht Luther entdeckt, dass wir vor Gott nur gerecht dastehen durch den Glauben und nicht durch die guten Werke, die wir tun? Wenn jemand Fleiß im Glauben fordert, dann verlässt er doch die Kernbotschaft des evangelischen Glaubens, oder?" Hier fällt dann schnell das Stichwort "Werkgerechtigkeit", vor der man sich um jeden Preis hüten müsse, auch um den Preis, dann lieber gar nichts zu tun, die Hände in den Schoß zu legen.

Beide "Parteien" irren sich. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Die Bibel redet nämlich durchaus vom "Fleiß", der in Glaubensdingen angesagt ist.

Ich möchte zuerst einen Vers nennen, der äußerst provozierend klingt: "Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern …" (Philipper 2,12b). Dieses "schaffen" kann man getrost wörtlich nehmen im schwäbischen Sinn. Da gibt es ja das Motto "Schaffe, schaffe, Häusle baue". Denn es ist hier nicht "schaffen" als kreatives Tun gemeint wie in dem Satz "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde …" (1. Mose 1,1) sondern tatsächlich Arbeit, Anstrengung, Mühe, Fleiß. Wörtlich steht hier: "Erarbeitet euch eure Rettung mit Furcht und Zittern". Nun würde dieser Satz in völligem Widerspruch zu anderen Aussagen im Neuen Testament stehen, etwa: "Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es" (Epheser 2,8), wenn er nicht eine Fortsetzung hätte. Und die hat er in der Tat: "Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen." (Philipper 2,13). Wenn wir also mit Fleiß unsere Rettung erarbeiten, dann ist und bleibt es trotzdem Gottes Geschenk und Gabe. Und weil es Gottes Geschenk und Gabe ist, deshalb kann die Anstrengung nicht so groß sein, dass wir es nicht schaffen könnten, gerettet zu werden. Zugegeben: Solche Worte klingen uns wenig vertraut, aber wir können auch nicht einfach so tun, als ob es sie nicht gäbe.

Jesus selber gebraucht einmal das Bild vom Baum und seinen Früchten und sagt: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen … So bringt jeder gute Baum gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen" (Matthäus 7,17-18). Frucht soll also im Leben eines Christen wachsen und auch klar erkennbar sein. Frucht ist eigentlich nur ein anderes Bild für die guten Werke des Christen. Aber dieses Bild macht die Reihenfolge unmissverständlich klar: Aus dem Glauben kommen gute Werke. Gute Werke machen aber keinen Glauben. Das ist die Grundaussage, die sich durch das ganze Neue Testament zieht und die übrigens auch Martin Luther mit Nachdruck vertreten und gepredigt hat. Wer also meint, gute Werke gehören nicht zum Glauben, seien womöglich gar schädlich für den Glauben, der irrt und kann sich auch nicht auf Luther berufen.

[Musik]

[Teil 3 - ] Ich möchte es an einem anderen Beispiel deutlich machen.

Stellen wir uns vor, ein Mann sei total in seine Traumfrau verliebt und sie liebt ihn auch. Als ein Freund ihre innigen Umarmungen und Liebkosungen, sieht fragt er ihn: "Ich habe gehört, dass man Steuervorteile hat, wenn man verheiratet ist. Wie oft muss man eine Frau mindestens küssen, damit sie einen heiratet? Und wie oft muss ich Gutes von ihr erzählen, damit sie einen nicht verlässt?"

Was würdest du sagen? Ich vermute, der Verliebte antwortet: "Liebe kann man sich nicht durch Küssen erkaufen - man bekommt sie geschenkt. Und man kann dann ‚Ja' oder ‚Nein' sagen. Wenn Dein ‚Ja' aber nicht ehrlich ist, dann wird Deine Beziehung rasch vorbeigehen. Die Sache mit den Steuervorteilen solltest Du am besten vergessen!"

Gewisse Steuervorteile folgen auf die Eheschließung, aber sie schließen weder die Ehe noch wird jemand heiraten mit dem Zweck, daraus Steuervorteile zu bekommen. So ähnlich ist es auch mit dem Glauben und den Werken. Natürlich folgen aus dem Glauben - wie selbstverständlich - die guten Werke. Aber die guten Werke machen nicht den Glauben, und man glaubt nicht mit dem Zweck, gute Werke zu tun.

Ohne Fleiß kein Preis! Gute Werke gehören zum Glauben. Besonders deutlich hat das Jakobus, der leibliche Bruder von Jesus, in seinem Brief in Erinnerung gerufen: "Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst. Denn wenn jemand ein Hörer des Worts ist und nicht ein Täter, der gleicht einem Mann, der sein leibliches Angesicht im Spiegel beschaut; denn nachdem er sich beschaut hat, geht er davon und vergisst von Stund an, wie er aussah. Wer aber durchschaut in das vollkommene Gesetz der Freiheit und dabei beharrt und ist nicht ein vergesslicher Hörer, sondern ein Täter, der wird selig sein in seiner Tat." (Jakobus 1,22-25). Und wenig später folgen dann die Worte, die viele kennen: "So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber …Willst du nun einsehen, du törichter Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist? So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein … Wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot" (Jakobus 2,17.24.26).

Das ist vielleicht die deutlichste Aussage im Neuen Testament zu unserem Thema "Ohne Fleiß kein Preis". Es gibt aber noch viele andere. Der Apostel Paulus vergleicht einmal das Christenleben mit dem Laufen in der Wettkampfbahn und sagt dann: "Lauft so, dass ihr den Siegespreis erlangt!" (1. Korinther 9,24b). Hier haben wir es also wieder: "Ohne Fleiß kein Preis!" Und ähnlich heißt es im Hebräerbrief: "Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist" (Hebräer 12,1b). Und dass es bei dem Preis um das ewige Leben geht, das macht der bekannte Vers aus dem 2. Korintherbrief deutlich, wo es heißt: "Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse" (2. Korinther 5,10). Nicht, dass wir in den Himmel kommen, dafür ist der Kampf des Glaubens nötig, wohl aber dafür, welche Belohnung wir im Himmel bekommen. Den Himmel hat uns allein Jesus erworben, die Belohnung im Himmel aber verdienen wir uns. "Ora et labora" - der Leitspruch der Benediktiner hat diesen Gedanken aufgenommen: Zum Beten muss das Arbeiten hinzukommen. Beides ist wichtig: "Bete und arbeite!" Glaube hat es durchaus mit Übung zu tun. Paulus ermahnt seinen Schüler und Mitarbeiter Timotheus: "Übe dich in der Frömmigkeit!" (1. Timotheus 4,7b).

Eins freilich ist wichtig! "Ohne Fleiß kein Preis" - damit soll nicht purem Aktionismus das Wort geredet werden! Nicht Aktion um der Aktion willen ist gefragt, sondern das Tun des Willens Gottes. Nicht umsonst sagt Jesus: "Ohne mich könnt ihr nichts tun" (Johannes 15,5b). Und besonders schön bringt der Apostel Paulus es zum Ausdruck in seinen Worten an die Gemeinde in Kolossä: "Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn" (Kolosser 3,17). Darauf kommt es an: Nicht blinder Aktionismus, sondern das reden und tun, was Gott gefällt. Und damit ihr das aus diesem "Leben live"-Gottesdienst mit nach Hause nehmt, bekommt ihr diesen Vers heute als "Mitgebsel".

"Ohne Fleiß kein Preis", das gilt also auch für den Glauben. Wenn Glaube keine graue Theorie, keine abgehobene Philosophie sein soll, die nichts mit unserem Leben zu tun hat - und das wäre nicht der biblische Glaube, der ja Vertrauen zu Gott bedeutet -, dann sollten wir uns überlegen, ob wir mit unserem Glauben "in Übung" sind oder nicht.

Das Übungsfeld für den Glauben ist vielfältig. Wir kennen alle die wichtigen Stichworte.

Der Gottesdienst gehört natürlich dazu. Denn wie soll ich das Wesen und den Inhalt des Glaubens verstehen, wie vor allem Gott, den Vater, den Sohn, den Heiligen Geist kennen lernen, wenn ich nicht dahin gehe, wo darüber gepredigt wird? Wie soll Gemeinde Jesu Christi vor der Welt sichtbar sein, wenn ich mich von ihr zurückziehe und nur mein privates Christentum pflege?

Das Gebet, das Reden mit Gott und das Hören auf ihn, und die Zeit dafür will immer wieder erkämpft werden, denn wenn Glaube dem Wesen nach Beziehung ist, dann will diese Beziehung auch gepflegt sein.

Die Bibel, das Wort Gottes, soll reichlich unter uns wohnen, das heißt unser Leben prägen und gestalten, uns Orientierung geben für alle Fragen und Probleme unseres Lebens.

Eine wichtige Übung des Glaubens ist Gemeinschaft. Dass ich mich nicht als Einzelwesen verstehe, sondern eingebunden in eine Gemeinschaft mit anderen, die auch an Jesus Christus glauben und ihm nachfolgen. Konkret wird Gemeinschaft in der Ehe, in der Familie, im Hauskreis erfahrbar.

Wir üben uns im Glauben, wenn wir nicht sprachlos sind, sondern uns freudig zu Jesus Christus und seiner Gemeinde, seiner Kirche, bekennen, wenn wir darauf angesprochen werden, und Menschen in die Gemeinschaft mit ihm einladen.

Wenn wir doch wieder neu erkennen würden, dass Glaube einen Rahmen braucht, auch Regeln, die alles andere als gesetzlich sind, sondern überhaupt erst den Raum für den Glauben eröffnen … - dann ist schon viel gewonnen. Wenn wir wieder neu den Wert von Verbindlichkeit schätzen lernen, der Beliebigkeit und ungeistlichen Gleichgültigkeit den Laufpass geben und neu erkennen, wie wichtig es ist, in Übung zu sein und zu bleiben - auch in Glaubensdingen -, dann hat sich das heutige Thema gelohnt.

Die Kirchengemeinde Eysölden und das Gottesdienstteam wünscht einen gesegneten Sonntag!