
Themenpredigt: "Du bist gewählt!"

Es gilt das gesprochene Wort!

Morgen wird gewählt. Aus der Vielzahl von Kandidatinnen
und Kandidaten, die sich um einen Sitz im Deutschen Bundestag bewerben, werden durch
Mehrheitsentscheidung die gewählt, die die nächsten vier Jahre als Volksvertreter
im Reichstag in Berlin sitzen. Es geht aber nicht nur um die Abgeordneten, sondern
auch um den nach dem Bundespräsidenten und dem Bundestagspräsidenten dritthöchsten
Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland, den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin.
Der oder die wird zwar eigentlich nicht direkt gewählt, aber es ist klar, dass
die Volkspartei mit den meisten Stimmen dann auch den Kanzler oder die Kanzlerin stellt.
Ach ja, und außerdem wird morgen ein Landrat gewählt ...
Wahlen sind normalerweise und meistens etwas Spannendes.
Es soll ja schon Wahlen gegeben haben, bei denen schon vorher alles klar war. Das aber
gilt wohl kaum für die morgige Bundestagswahl. Überhaupt scheint bei dieser
Wahl fast alles ganz besonders zu sein: vorgezogene Neuwahl durch ein Misstrauensvotum
des Parlaments, das so gewollt war; der Bundespräsident gibt grünes Licht;
Klage dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht; Karlsruhe macht den Weg frei; notwendige
Nachwahlen am 2. Oktober in einem Dresdener Wahlbezirk; Klage gegen Veröffentlichung
des vorläufigen Endergebnissen; Klage abgewiesen
Natürlich denken wir beim Stichwort "Wahl"
oder "wählen", zumal am Vorabend einer Bundestags- und Landratswahl,
vor allem an die Politik. Aber Wählen ist etwas ganz Alltägliches, auch wenn
wir vielleicht nicht immer diesen Begriff verwenden.
[Anspiel-Szene 1 - Telefonumfrage]
"Wir haben Sie aus einer Vielzahl in Frage kommender
Personen gewählt", sagt die Stimme von Frau Neugierig. Aber diese Wahl kommt
äußerst ungelegen. Der Gewählte empfindet die Wahl nicht als besondere
Ehre, sondern - im Gegenteil - als unnötige Belästigung und unnötige
Störung seiner Freizeit. Vielleicht wäre es Frau Neugierig gelungen, Herrn
Erholungsbedürftig zur Teilnahme an der Telefonumfrage zu bewegen, wenn sie ihm
ein "Zuckerl" angeboten hätte; etwa ein Wellness-Wochende mit seiner
Frau. Aber so denkt Herr Erholungsbedürftig überhaupt nicht daran, sich auf
das Angebot einzulassen. "Warum sollte ich so eine Wahl annehmen, welch eine zweifelhafte
Ehre?! Was bringt es mir schon, so meine Zeit zu vergeuden?" Herrn Erholungsbedürftigs
Antwort auf seine Wahl war ein klares NEIN.
Wir merken an dieser kleinen Szene: Gewählt werden
ist etwa völlig Passives, und zwar nicht nur von der grammatischen Form her. Jemand
anders wählt mich aus. Es kommt ganz darauf an, wofür jemand ausgewählt
werden soll. Natürlich kann ich gewisse Voraussetzungen mitbringen, die den andern
dazu bringen, gerade mich zu wählen, aber letztlich beeinflussen kann ich die
Wahl nicht. Es ist und bleibt die freie Entscheidung des Wählenden.
[Anspiel-Szene 2 - Klassensprecherwahl]
So mancher fühlte sich schon zu Höherem berufen;
und manchmal fing es damit an, unbedingt Klassensprecher werden zu wollen. Und so mancher
wurde nicht gewählt, obwohl er es sich so gewünscht hat, und war dann bitter
enttäuscht. Umgekehrt wurden schon manche zu Klassensprechern gewählt, die
gar nicht daran dachten, dass die Wahl auf sie fallen würde. Die sog. Selbstwahrnehmung,
die persönliche Einschätzung, wie man sich selber sieht, muss nicht immer
mir der sog. Fremdwahrnehmung übereinstimmen. Lisa jedenfalls lässt sich
dazu überreden, sich als Klassensprecherin wählen zu lassen. Große
Überredungskünste waren dazu aber nicht nötig. Ihre Antwort auf die
Wahl wäre aber nun sicher ein JA.
[Anspiel-Szene 3 - Jobangebot]
Was an dieser Szene besonders deutlich wird: Manchmal
gibt es klare Voraussetzungen für eine Wahl. Die Frage der Eignung spielt manchmal
eine wichtige Rolle. Nicht jeder in einer Firma ist für den Posten eines Werkleiters
geeignet. Wenn der Personalchef Hunderte von Personalakten durchforstet mit dem klaren
Ziel, einen Mitarbeiter zu finden, der für diese Aufgabe prädestiniert ist,
dann zeigt das, welche hohe Verantwortung mit der Besetzung dieser Stelle verbunden
ist. Im Unterschied zur Telefonumfrage werden hier die Vorzüge klar benannt, die
damit verbunden sind, wenn der Mitarbeiter die Wahl annimmt: die Umzugskosten werden
übernommen, eine deutliche Gehaltserhöhung, ein Dienstwagen und eine Sekretärin
Allerdings bedeutet die Annahme der Wahl auch, sich auf eine, wie er sagte "mir
völlig unbekannte, neue Situation mit ihren Herausforderungen einzulassen",
möglicherweise ein Orts- und Wohnungswechsel inbegriffen. Was wird mit der Familie?
Aus den letzten Worten des Mitarbeiters spricht Unsicherheit: "Ich weiß
nicht, wie es wirklich wird! Wird es mir gefallen?" Die Antwort in dieser Szene
lautet zunächst nicht NEIN und auch nicht JA, sondern Entscheidung nach reiflicher
Überlegung, nach Abwägen aller Vor- und Nachteile.
Im Grunde genommen geschieht jedes Annehmen oder Ablehnen
einer Wahl nach Abwägen der Vor- und Nachteile. Nur geschieht diese Abwägung
manchmal in Sekundenbruchteilen, ein andermal nach einer langen Phase des Nachdenkens.
Am schnellsten JA zu einer Wahl sagt man, wenn man für sich selber nur Vorteile
sieht und nichts anderes. Am schnellsten NEIN zu einer Wahl sagt man, wenn man für
sich selber nur Nachteile sieht und nichts anderes.
Was aber hat das Wählen mit dem Glauben zu tun?
Wenn wir in die Bibel hineinschauen, dann merken wir schnell: sehr viel! Sehen wir
uns einige wichtige Aussagen dazu an.
Zunächst einmal kann man sich ja fragen: Wer wählt
eigentlich wen? Wählt der Mensch Gott, oder wählt Gott den Menschen? Von
wem geht eigentlich die Initiative aus?
Jesus sagt einmal zu seinen Jüngern: "Nicht
ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr
hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt
" (Johannes 15,16). Damit
wird eine im wahrsten Sinne des Wortes "Grund legende" geistliche Wahrheit
ausgesprochen: Nur weil Gott uns gewählt hat, deshalb können wir ihn wählen.
Umgekehrt: Wir könnten Gott nicht wählen, wenn er nicht zuvor schon die Wahl
getroffen hätte.
Wann hat Gott seine Wahl getroffen? Hat er sich vielleicht
den Menschen angeschaut, wie er sich nach der Geburt entwickelt und dann entschieden,
ob er ihn wählen will?
Nein, denn Gott kennt uns lange vor unserer Geburt.
Schon im Mutterleib sind wir ihm nicht verborgen. Zum Propheten Jeremia sagt er einmal:
"Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus,
ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die
Völker" (Jeremia 1,5). Gott hat einen Plan mit meinem Leben, lange bevor
ich geboren wurde. Ist das ja schon erstaunlich genug, dass Gott mich schon im Mutterleib
kennt und "aussondert" (wählt), so wird das von einer Aussage übertroffen,
die wir vorhin als Lesung gehört haben.
"In Christus hat Gott uns erwählt, ehe der
Welt Grund gelegt war
" (Epheser 1,4).
Man muss sich diesen Satz "auf der Zunge zergehen"
lassen, man muss diese Worte auf sich wirken lassen, man muss diese Worte wie ein Schwamm
aufsaugen, um zu erfassen, was hier eigentlich gesagt wird!
"
ehe der Welt Grund gelegt war": wörtlich
steht hier: "vor Grundlegung der Welt" oder "vor dem Anfang der Welt"
[prè katabolÒv kçsmou], also bevor es diese Welt gab! Denn "am
Anfang schuf Gott Himmel und Erde", erwählt hat er uns aber schon "vor
dem Anfang der Welt". Und mit "Welt" ist ja nicht unser Planet Erde
gemeint, sondern der ganze "Kosmos", das Universum, das Weltall! Und wenn
die Bibel uns sagt, dass Gott die Welt aus dem "Nichts" ins Leben gerufen
hat, dann bedeutet das: Gott hat uns erwählt, als es noch "nichts" gab,
geschweige denn eine Milchstraße mit Sonnensystemen und einem Planeten namens
Erde. Gott hat uns erwählt, bevor es Licht und Finsternis gab, bevor es Wasser
und Land gab, lange, lange bevor der erste Grashalm stand. Lange, lange bevor ein Mensch
überhaupt sich darüber Gedanken machen konnte, wie denn Gott etwas mit unserem
Leben zu tun haben könnte, lange, lange davor hat Gott uns schon erwählt!
Diese Tatsache ist so groß, dass ein ganzes Leben nicht ausreicht, um das in
allen Dimensionen zu erfassen, zu begreifen, um das "aus-zu-glauben".
Und als ob das nicht schon staunenswert genug wäre,
setzt Gott noch eins drauf und sagt: "Ich habe dich je und je geliebt; darum habe
ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte" (Jeremia 31,3). "je und je"
- hier steht wörtlich ÿÿ£Alôv, "ewig".
"Ewig" ist nur Gott, denn "ewig" bedeutet ohne Anfang und ohne
Ende. "Ewig" ist eine Qualität, die jenseits der Zeit liegt, denn Gott
als der Schöpfer hat auch die Zeit geschaffen. Die ganze Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft sind eigentlich nur Hilfsvorstellungen. Aber so "ewig" hat Gott
uns schon geliebt, ohne Anfang und ohne Ende. Gott hat uns geliebt, Gott liebt uns,
und Gott wird uns lieben.
Nun fällt aber noch eines an allen Aussagen über
die Erwählung, die wir in der Bibel finden, auf, nämlich: Gott wählt
mit einem bestimmten Ziel und zu einem bestimmten Zweck. Erinnern wir uns an die Worte
Jesu. Der Satz geht weiter: "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe
euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht
bleibt
" Wir sollen hingehen und Frucht bringen. Frucht bringen wir dadurch,
dass wir Jünger Jesu, Nachfolger Jesu, eben Christen werden. Und wir bringen dadurch
Frucht, dass wir andere Menschen zu Jesus Christus einladen. Denn dadurch bringen wir
Frucht, Frucht für die Ewigkeit.
Oder denken wir noch einmal an den Satz aus dem Epheserbrief
von vorhin. Da heißt es: "In Christus hat Gott uns erwählt, ehe der
Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner
Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein
" Das Ziel, der
Zweck ist: Dass wir "heilig sein" sollen, das bedeutet: wir sollen zu Gott
gehören, wir sollen Gottes Eigentum werden und wir sollen die Sünde meiden,
hassen und lassen. Dass wir "untadelig sein" sollen, das heißt: wir
sollen uns von ihm verändern lassen, dass er uns so umgestalten kann, wie er es
für gut findet. Und: Wir sollen seinen Kinder sein. Er, der Gott und Schöpfer
des ganzen Kosmos, will uns seine Kinder nennen, er will, dass wir seine Kinder werden
durch den Glauben. Und wir sollen den Gott und Schöpfer des Universums Vater nennen
dürfen durch den Glauben an Jesus Christus.
Wie heißt es doch in dem Lied:
"Die Wahl ist gültig. Ich nehm sie gerne
an, auch wenn mein Leben dann nicht so bleiben kann. Du wirst mich ändern. Ich
soll dir ähnlich sein, und du setzt mich sogar zum Erben ein."
Ist das nicht der Grund, warum viele die Wahl Gottes,
die ja von Ewigkeit her über ihrem Leben steht, nicht annehmen? Weil ihr Leben
dann nicht so bleiben kann wie bisher.
Eins ist klar: Auch wenn Gott uns gewählt hat,
dann liegt es immer noch allein an uns, ob wir diese Wahl annehmen. Gott sagt nicht,
wie wir manchmal bei einem Spiel: "Ich brauche drei Freiwillige: dich und dich
und dich
" Gott zwingt uns nicht zu sich, er zieht uns zu sich, aber nicht
mit Stahlseilen, denen wir uns nicht widersetzen könnten, sondern mit "Seilen
der Liebe" (Hosea 11,4). Und Liebe zwingt zu nichts. Gott zwingt uns nicht zu
unserem Glück. Er zwingt sich uns nicht auf. Er zwingt uns nicht zum ewigen Leben.
Wir können und dürfen uns gegen seine Wahl entscheiden. Denn Gott nimmt unsere
freie Entscheidung ganz ernst. Freilich: Wenn schon wir enttäuscht sind, wenn
wir nicht gewählt werden, wie sehr muss Gott enttäuscht sein, wenn er uns
gewählt hat und so viele von uns seine Wahl nicht annehmen.
Und trotzdem - eines steht unverbrüchlich und
ein für allemal fest: "Gott hat sich für dich entschieden. Du bist gewählt!"
Diese Botschaft steht über deinem Leben. Von Gottes Seite her ist und bleibt also
alles klar und eindeutig. Nun liegt es allein an dir, ob du Gottes Wahl annimmst
... folgt Aktion mit Wahlkarte: "Du bist gewählt!"
...
Amen.

Die Kirchengemeinde
Eysölden wünscht einen gesegneten Sonntag!
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